Kleines Spaßwochenende für den Steich!

Es gibt sicherlich zum Ausgleich von Trainingsdefiziten als Trainingsplan feinere Klingen.

Ich hab dann einen für den Steich leicht überdimensionierten Holzhammer gewählt. Und ich bin zufrieden. Der Plan ging auf.

Die Woche war ne Ruhewoche. Ich hab die mal von Montag bis Mittwoch definiert und gleich ab Donnerstag eine Belastungswoche dran gehangen. Distanz hab ich, glaub ich mittlerweile ganz gut drin. Es fehlt noch Kraft, um diese ganzen Hügel auch einigermaßen laufen zu können und Dembo. Dembo hab ich auf später verschoben. Das kommt, wenn Distanz und Kraft da sind auch ein bissl von „allein“. So die Hoffnung. 😉

Also Kraft. Kann man mit kurzen Strecken an einem Berliner Hügel mit 60hm mit häufigen Wiederholungen und Dembo schnell hinbekommen. Da kenne ich mich aber nicht so gut aus.

Also die Holzhammermethode und beim km-sammeln einfach Hügel einbauen.

Der Start war Donnerstag mit 27km. Ich war spät von Arbeit daheim und wollte eigentlich nur mal fix noch nen 20er zum Einrollen laufen. Ups. Alle drei Hügel im Wuhletal erklommen.

Freitag dann das erste Kreiseln an den Müggelbergen: 40km1100hm.

Samstag mangels Zeit nur 3Runden in den Müggelbergen: 30km, 800hm.

Und zum finale Sonntag noch ne etwas anspruchsvollere Strecke an der Ahrensfelder Höhe: 40km, 1500hm.

Eigentlich müßte zur Festigung so ein Block nächste Woche noch mal kommen. Dann hat ihn der Körper auch registriert. Eigentlich. Aber da kommt das Leben. Mal schauen wie und wo ich dann doch auch ein bissl zum Laufen komme. Das findet sich.

Und ja, so ein Training ist für 75km im Thüringer Wald völlig überdimensioniert. Aber nach dem Steich ist ja bekanntlich vor den Alpenläufen. Und für längere Alpenläufe ist das dann wieder gar nicht so schlecht.

Das schreibt ein ziemlich zufriedener Schalk! 😉

Mein Steich 2024 – Vorbetrachtungen

Ich schrieb hier lang nichts mehr. Ich schrieb auch kein Lauftagbuch wie im vergangenen Jahr. Ich lief einfach. Das ist eh irgendwie produktiver. Es hilft einfach deutlich besser die Berge hoch und runter zu laufen, wenn man das vorher trainiert. Schreiben hilft da nur bedingt.
Aber!
Irgendwann kommt dann der Tag vor dem Steich, da man überlegt, wie man die letzten Trainingswochen gestaltet. Man fragt sich wo man im Vergleich zu den letzten Jahren steht. Wo jetzt den Fokus ansetzen? Und genau da hilft so ein Lauftagbuch! Heute war dieser Tag, da ich schauen wollte, was im Vergleich zum Vorjahr diesmal anders lief. Was besser war, was schlechter. Ich schaute in die Läufe bei Garmin, aber es fiel mir schwer manches richtig zu interpretieren. Doch da fiel mir ein, dass ich doch vergangenes Jahr ein Lauftagebuch bis zum Steich geschrieben hatte und mit dem Text zum jeweiligen Lauf hatte ich nicht nur den Lauf jeweils wieder vor Augen und auch das Laufgefühl. Ich las auch wo es klemmte. Und ich las wo es damals nicht (so) klemmte. Und ich weiß sehr genau, wie ich am Steich mal einfach gnadenlos ab Stein16 eingebrochen bin – und nun auch warum. Und um genau das noch einmal Revue passieren zu lassen, dafür ist genau das Trainingstagebuch ganz gut gewesen.
Beim Blick in die Läufe und die jeweilige Pace und die Korrelation zum Puls gab mir den Eindruck, ich wäre dieses Jahr noch schlechter drauf, als letztes Jahr. Da konnte ich noch schneller laufen, lief mit niedrigerem Puls, hatte ordentliche Belastungswochen. Aber da war einfach auch weniger Kreiselei, weniger Höhenmeter und nur im Lesen zu den Läufen kann ich dann wieder die schweren Beine bei manchem Lauf an der Ahrensfelder Höhe rekapitulieren. Die hatte ich so nicht mehr auf dem Zettel. Und ich denke, die mangelnden Höhenmeter in der letztjährigen Vorbereitung schrotteten dann einfach auch die Beine bis zum Grenzadler dermaßen, dass dann eben kurz darauf der Einbruch kam.
Dieses Jahr bin ich ebenso spät ins Training eingestiegen, wie letztes Jahr – dieses Jahr sogar noch später. Da konnte ich erst Mitte Februar nach 3 Monaten immer wieder krank wieder starten. Aber ich bin dieses Jahr eher ins Kreiseln, ins Höhenmeter sammeln eingestiegen und das hügelige Laufen in den Müggelbergen und das Kreiseln an der Ahrensfelder Höhe hilft.
War ich gestern noch am Überlegen, ob ich nicht auch noch etwas Dembo machen solle, so bin ich doch heute sicher, dass das allein auf keinen Fall reichen würde. Im Gegenteil. Ohne die Kraft für die Hügel, kannst du am Steich mit Dembo gar nichts anfangen. Dann kommst du mit Dembo bis km54 und hoch zum Stein16 oder spätestens nach dem Rondel sind dann die Messen gelesen.
Drei Belastungswochenenden sind es noch bis zum Steich. Nach den letzten beiden Belastungswochen werde ich bis Donnerstag die Füße weitgehend hoch nehmen. Vielleicht laufe ich am Mittwoch mal noch ein paar 400m-Intervalle. Aber mehr auf keinen Fall und Fr/Sa/So kommt dann noch mal ein Kreiselblock – vielleicht bekomme ich den diesmal auch mit 30/40/30km hin. Mal sehen.
Nächste Woche muß ich schauen, wie ich Belastung in der Woche unterbringe und dann ist am WE wieder ein Dreierpack dran und ab dem 30.04. bis zum 05.05. ist noch mal ein Trainingsausflug nach Garmisch dran. Ich glaube da kann ich noch mal ordentlich Höhenmeter laufen. Ganz hoch geht es natürlich noch nicht. Das ist klar. Reintal und Zugspitzplatt ist noch Winter. Aber der Südhang des Kramers und mal sehen was alles noch ist schon ausreichend frei. Stepbergalm dürfte sicher gehen und ganz ins hochalpine wollte ich eh nicht. Soll ja schon vieles laufbar sein. Wank? Edbauer sicher. Es findet sich was.
Also, die letzten Wochen wird eher auf laufbare Höhenmeter, als auf noch mehr Distanz und vor allem Dembo gesetzt. Mal schauen, ob die Rechnung besser aufgeht, als im vergangenen Jahr.
😉

Mal ein anderer Brocken im Februar

Ein Mann kommt mir mit seiner Frau wandernd im Ilsetal entgegen und applaudiert mir, feuert mich an als ich dichter ran komme. Er fragt: „Warst du oben?“ „Jup!“ antworte ich. „Einmal hoch und rum.“ Und dann bin ich auch schon vorbei und weg. Ca. 11km hoch zum Brocken und 9km runter liegen da hinter mir und ca. 5km durchs Ilsetal nach Ilsenburg noch vor mir. Es wird flacher und ich habe etwas weiter oben im Trail auch schon etwas rausgenommen; konnte die Schrittfrequenz vom einfachen Ablaufen auf Brockenstraße und Forststraße nicht mehr laufen. Da braucht es deutlich mehr Kraft. Die ist nach 9km kontinuierlichem und schnellen bergablaufen nicht mehr da.
Ich hatte diese Begegnung fast schon wieder vergessen. Aber heute kam sie mir wieder in den Kopf. Heute ist zwei Tage später und schon beim Treppen abwärts gehen wußte ich, dass das Laufen heute nicht schön werden würde. Nein, so einen Muskelkater läuft man sich nicht einfach raus – also ich jedenfalls nicht. Auch im Flachen und langsam laufend funktioniert das nicht wirklich. die ersten km waren doof und nein, es wurde nicht besser. Und immer wieder, wenn es mal 5mm bergab ging, fiel mir diese Begegnung wieder ein, weil es leicht zog in den Oberschnekeln.
‚Siehste Schalk! Jetzt weißt du, warum der applaudiert hat. Ein wandernder Läufer, der auch wußte was kommen würde.‘
Woche zwei des Formaufbaus ist damit dann fast abgeschlossen.
Nach einem Infekt Anfang Januar und anderthalb Monaten Reizhusten ging es ziemlich genau vor 14 Tagen wieder los mit laufen. Eigentlich hatte ich trotz schönstem Wetter heute irgendwie so gar keine Lust loszulaufen. Allerdings las ich in den letzten Tagen einfach auch zu viele Wettkampfberichte von Läufern, die geraderaus schrieben, dass sie nicht gut trainiert in ihre Wettkämpfe gegangen sind – aus welchen Gründen auch immer. Der Rennsteig steht an und nein, ich möchte im Mai nicht so über meinen Steig24 schreiben müssen. Also aus dem Tiger ne kleine Katze in den Mukslen gemacht und los.
Rennsteig 2024 – ich komme! Die ersten 800hm hoch wie runter sind schon mal weg.
😉

Worst Case?

Dembo gommd bekanntlich von Dembo.
Das ist nicht fürchterlich neu.
Der Spruch kam mir in der Vergangenheit auch gern immer wieder über die Lippen, wenn sich andere diese Frage mit diesem Dembo gestellt haben.
Mir ist im November der Puls durch die Decke geschossen und – wie ich vor einigen Tagen schon schrieb – war es so gar nicht der Puls als mehr das Dembo, das mir abhanden kam. Die Fitness sank nach Erkältung und nur mit deutlich langsamerem Laufen hab ich den Puls wieder in eine normale Richtung bekommen. Der Puls blieb dann auch über 20km auf einem Niveau – nur war das Dembo halt langsam.

In 2024 steht nach dem nicht vorhandenen Aufbau im November/Dezember nix wirkliches auf dem Plan. Also war der Plan wieder vernünftig aufzubauen. Dezember 2022 bekam ich einen Trainingsplan für den Steich geschenkt, der so ganz anders als meine alten Pläne aussah und da ich da noch verletzt war, baute ich auch nicht mit diesem Plan für den Steich2023 auf. Da waren für meinen Trainingszustand im Frühjahr 2023 deutlich zu viele und zu harte Intervalle drin. Aber jetzt schien das doch mal eine gute Idee strukturiert am Dembo zu schrauben. KW5 startet zwar erst der 16Wochen-Plan. Aber ich dachte mir, dass ich außer den aktuell schon laufenden Einheiten vielleicht einfach schon mal Intervalle einschieben könnte.

Intervalle! Ich bin so einen Dreck gefühlt vor 10 Jahren letztmalig gelaufen. Nein, das stimmt nicht ganz. Vor dem Steich 2014 und 2015 hab ich schon auch ordentliche Demboeinheiten gemacht. Aber das waren – aus der Erinnerung heraus – eher Dembodauerläufe und keine Intervalle. Aber ja, auch das ist fast 8 Jahre her!

Lange nicht gemacht. Dembo laufen ist immer bissl anstrengend. Die Koordination via Laufuhr sollte da möglichst einfach sein. Sportplatz werde ich nicht nutzen können. Also hab ich mir ein Training auf die Garmin gezimmert und wollte das dann am Rand vom Erpetal ablaufen. 10min Einlaufen und dann 5x3min Vollgas mit je 3min Traben dazwischen. Am Ende 10min Auslaufen. So war der Plan.

Das Einlaufen ging – logisch. Und ich war nach 10min auch etwa am Erpetal gelandet.

Aber als dann die 3min Dembo starteten, dauerte es definitiv nicht sehr lange, bis ich komplett im Eimer war, bzw. das angeschlagene Dembo nicht mehr halten konnte. Alter, pfiff die Lunge! Nein, Dembo war ich nicht nur nicht mehr gewöhnt. Ich hatte auch keinerlei richtiges Dembogefühl in diesem Belastungsbereich. Anlaufen, Vollgas, Platzen wegen Kondition.
OK, die 3min hielt ich irgendwie durch. Während dieser Ballerei war ich dann auch auf dem letzten Weg an der Erpe angekommen, den ich eigentlich auf und ab laufen wollte. Hmm, kein Asphalt und lauter Pfützen bzw. Kuhlen. Nein, das ist nix für nen Dembolauf. Also währenddessen bereits in Richtung einer asphaltierten Straße abgedreht, die ich dann auf und ablaufen wollte. Die Trabpause kam. 3min. Und als die zu Ende war, zeigte die Uhr plötzlich statt der nächsten 3min Vollgas 10min Auslaufen an. Ja, nee, is klar. Da paßte wohl was an der Trainingserstellung nicht. Da hatte ich jetzt so gar keinen Bock drauf. Also das Training gestoppt und nen normalen Lauf gestartet. Und dann also losgeballert. Aber da war einfach mal so was von die Luft raus. Schon beim Anlaufen war klar, dass das nix wird. Keine 150m später hab ich den Anker geworfen und entschieden einfach gen Heimat zu laufen.

Für drei kleine Intervalle reichte es dann noch. Im Screenshot sieht man dies anhand der roten Abschnitte. Der Gedanke war wenigstens den Puls noch mal richtig hoch zu treiben und zu sehen, wo denn aktuell der Pmax liegt. Aber auch das war keine Option, weil ich keine 300m mehr Druck machen konnte. Ja, auch für nen Pmax sollte man in der Lage sein wenigstens ein bissl am Limit zu laufen. Sonst bist du ja im Eimer bevor der Puls überhaupt richtig oben ist.

Heute war dann also mal so alles andere als ein Intervalltraining. Obwohl, Dembowechsel war ja schon bei. Naja, zumindest hab ich mal ein wenig am Dembo gerüttelt und vor allem weiß ich nun wo die nächste Baustelle ist, an der es zu arbeiten gilt. Auch wenn Demboballern vielleicht nicht mehr heißt in 3:48er Schnitt nen Halbmarathon zu ballern. Aber immer nur im Ultraschlappschritt macht wohl doch so Stück für Stück einfach mal immer langsamer.
Als Resümee würde ich es dann nicht ganz als worst-case einordnen wollen, denn eine Erkenntnis ist (wieder?) da: Dembo gommd von Dembo!
Auf gehts! 😉

Fake news!

Ich war zwei Mal diesen Herbst/Winter erkältet. Das erste Mal einfach nur nen Schnupfen. Danach beim Laufen war der puls lange einiges höher als normal – wirklich ungewöhnlich hoch. Ok, also warten. Einfach mal nicht laufen. Eine Woche vor Weihnachten kam dann diese andere Infektion – Corona. Ok, dann eben mal nicht laufen. Infektion loswerden und dann schauen wie das so mit Laufen geht.
24.12. Früh war alles wieder ok. Ich hatte Zeit, also los. Es ging ganz gut – aber der Puls war immer noch deutlich zu hoch.
Heute nun der zweite Lauf; diesmal allein los. Einen konkreten Plan gab es nicht. Einfach loslaufen und schauen. Und beim Loslaufen ging es gleich in dieses lockere Traben. Das ist so eine leichte, wie schwerelose Fortbewegung; keine Last. Einfach bewegen. Ist es sowas wie joggen? Keine Ahnung. Auf jeden Fall war der Puls im niedrigen ldl-Dembo-Bereich (langsamer Dauerlauf). Und genau in dem Moment ging mir durch den Kopf, dass ich doch das Laufgefühl und damit den Puls einfach die ganze Zeit da belasse. Dembo egal. Puls niedrig.
Und was soll ich sagen. Es funktionierte. Das fühlte sich die ganze Zeit ein wenig so an wie mit dem Auto im 1.Gang bei Standgas fahren. Sowie ich auch nur leicht aus dem Standgas rauskam, ging der Puls hoch – also wieder die Last runter. Und ja, die Pace pendelte sich knapp unter 6min/km ein. Sie blieb auch nahezu konstant. Und da war es wieder dieses Ding, was man jedem Laufanfänger erzählt: ist der Puls zu hoch, läufst du zu schnell. Bei anderen sehe ich das ja sofort. Nur bei mir nicht. Mich betrifft diese Traningsphilosophie ja nicht! Natürlich nicht! Fake news!
Alles klar. Dann habe ich jetzt also den Weg für die nächsten Wochen gefunden. Jetzt geht es also erst mal immer schön im richtigen Pulsbereich weiter. Dann wird das irgendwann auch mal wieder was mit diesem Dembo! 😉

Raketenstart …

… allerdings hat da irgendwas in den technologischen Abläufen noch nicht ganz gestimmt.

Nach über sechs Wochen mit wenig bis gar nicht Laufen und direkt überstandenem Männerschnupfen sollte es heute endlich wieder los gehen.
Bereits früh der Blick aus dem Fenster beim Aufstehen war verheißungsvoll: Regen, oll!
Egal!
Frühstück, meinen besten Freund Riggo anrufen – jup er kommt mit – Laufklamotten an und los.
Es lief Bombe auf den ersten Metern; doddal tiefenentspannt, locker, leicht, einfach herrlich. Und das trotz Mistwetter. Roggo bei km1 abgeholt und weiter.
Und da begann das Haken. Es lief immer noch normal, aber eben nur noch relativ leicht. Und da fiel es mir ein! Bei der Rakete wird doch genau jetzt die Hauptstufe abgeworfen und ohne den Ballast geht es nun in dünnerer Luft leicht weiter. Aber da war der Fehler. Der Blick auf die innere Tankanzeige gab eine erste Auskunft. Hmm, da sind Reservetanks gefüllt, die auch hätten leer bleiben können. Und irgendwie wurde mir dann auch schnell klar, dass man diese Reservetanks auch nicht auf diesen 10km leer kriegen wird. Das wird nix mit dem Abtrennen der Hauptstufe.
Aber bissl Glück hatte ich dann doch bei all diesem Pech. Während bei Musk und Konsorten dann der ganze Start schief geht, bin ich trotz dieses Ballasts wohlbehalten daheim angekommen. Ging dann halt bissl langsamer. Ging auch so irgendwie schwerer. Aber dafür war ja Riggo dabei. Bei dem vielen Ratschen war dieses eher Schwere gar nicht so wahrnehmbar.
Der Puls war unverändert hoch. Jut. Das ist dann jetzt wohl auch dem körperlichen Zustand geschuldet – wollte nicht die Vokabel Fitness verwenden. Das wird dann jetzt Stück für Stück besser. Reservetanks leeren, km sammeln. Und dann wird das auch.
In Summe vielleicht ein Raketenstart mit Einschränkungen – aber doch durchaus gelungen.
😉

Gedanken, grübeln…

… oder doch mehr?
Schon seit ein paar Tagen sehe ich bei meinen Läufen, dass der Puls einfach noch nicht (wieder?) unten ist nach meiner Erkältung Ende Oktober. Und da war die schon vier Wochen her . Ich schaue auf den Puls, laufe, aber eben immer auch sachte. Das Laufen ging. Natürlich. Man kommt halt vorwärts. Aber es läuft schwer. Wie eingerostet. Ätzend. Was fange ich an mit dem Laufgefühl?
80Wo-km, 60Wo-km. Und irgendwie doch nix. 22.11. wieder nen 20er auf nem Mittwoch und ich beschließe erst mal ein paar Tage ruhig zu machen.
Anfang Dezember, 2.12. nen Lauf in Radebeul. 16 sehr schöne km. Aber irgendwie immer noch schwer. Den Donnerstag drauf nen 10er. Puls bei 180. Ok, nicht wirklich langsam, aber Meilen weg von schnell.
‚Schalk, laß es noch.‘
Eine Woche später Freitag wieder nen 10er und unverändert so lala.
Es nervt langsam. Ich überlege, ob ich jetzt unter die Hypochonder gegangen bin. Kommt der höhere Puls vielleicht einfach nur mal daher, dass ich meinen Körper jetzt schon fast sechs Wochen nicht mehr wirklich bewege? Einfach mal schlaff und durch? Das Laufen auf nem 10er geht immer. Nein, ich breche noch nicht danach gefühlt zusammen. Aber das ist ein Puls bei dem ich vor zwei Jahren selbst mit Dembo nicht rangekommen bin. Was soll das nur?
Abend sitzen wir zusammen mit Freunden. Ein sehr schöner Abend! Morgens nach dem Aufstehen hab ich plötzlich ne Reibeisenstimme. Was ist das denn jetzt schon wieder? Abends ist Feuerkorb geplant und volle Hütte. Ich steck mir mal lieber nen Stäbchen in die Nase. Sicher ist sicher. Hmm, war sicher. Zwei Striche. OK, dann plötzlich nicht mehr Hütte voll. Feuerkorb draußen ja, aber drinnen nein. Jut, der Puls vom gestrigen Laufen war dann klar. Dann eben noch weiter Pause. Es entwickelt sich ein ganz normaler, leichter Schnupfen. Trotzdem erst mal abwarten, wann es wieder nur ein Strich ist. Sieben Tage später war das dann auch so weit. Sieben Tage später ist heute.
Wir waren im Erpetal spazieren, sind zur Bölschestraße rüber gewandert. Der Puls war unten. Gut, war ja auch null Belastung. Nehmen wir das dann jetzt als Anfang? Wird das dann jetzt der Einstieg in die Frühjahrsvorbereitung?
Ich bin so froh mich innerlich schon im September nach dem Mayrhofen Ultrax von TOR in 2024 gedanklich verabschiedet zu haben. Nein, ich werde im Februar nicht dafür melden. Ich will einen Sommer durchlaufen, will eine Wintersaison durchtrainieren und wenn das alles in 2024 funktioniert, werde ich noch mal über 2025 nachdenken. Wenn, wird es das letzte Nachdenken über diesen Lauf. Es ist schön, dass da kein Druck da ist. Wenn es geht, ist gut. Wenn nicht, ist es auch Ok. Ich lese von offenen Anmeldungen und bald Geschlossenen. Nicht meine Baustelle. Ich melde mich nicht mehr ewig vorher an, um dann verletzt oder nicht fit zu sein. Ich trainiere, weil das Spaß macht. Und wenn es Zeit ist, schaue ich, wo ich dann laufen kann und will. Ich nehm dann den letzten Startplatz, oder den ersten wieder freien. Oder ich lauf woanders. Jup, fühlt sich gut an so.
Und jetzt hole ich mal den Trainingsplan für den Steich vor, den ich letztes Jahr geschenkt bekam. Letzten Januar begann ich nicht danach zu trainieren, weil die Sehnen noch nicht reif dafür waren. Da war zu viel Dembotraining drin. Damals nicht gut. Jetzt werde ich ihn mir mal anschauen. Ein ganz anderer Trainingsansatz, als ich ihn bisher verfolgte; weniger km, mehr kurze Demboeinheiten. In Summe (vermutlich) einfach weniger Belastung – aber mehr Struktur.
Ich schau mal!
Heute war ich Wandern.
Morgen gehts los!
Ein sachter Einstieg und dann schaun wir mal was der Puls so sagt.
Noch weiß ich nicht, ob ick mir überhaupt schon freue. Aber der Hunger kommt ja bekanntlich manchmal auch erst beim kochen.
Gleich morgen geht es los mit einem ersten kleinen Läufchen!
Und doch, ick freu mir!
(y) 😉

Autopilot

Ich fahre den Rechner runter. Feierabend, umziehen, laufen. Kurz vorm Runterfahren geht der Blick noch mal auf den Kalender. Mei! Schon Mittwoch! Ich bin noch keinen Meter die Woche gelaufen! Ok, ändert sich heute.
Wird nicht weit. Wird nur ne 20er Runde, Standard.
Noch vielleicht 20 min bis Sonnenuntergang. Heute hab ich die Lampe dabei. Heute wird es laufen.
Wie immer geht es janz entspannt und locker los. Nach ein paar Metern geht der Blick auf die Uhr.
Pace, puh! Knapp 5min/km, Schnell. Egal. Geht eh nach Gefühl weiter.
Puls, ups! Hoch! Schon nach wenigen Metern liegt der Puls leicht über 150.
Zum Vergleich: Vor Jahren lag mein Pmax bei 204. Der kann mittlerweile runter gegangen sein. Die letzten Jahre bin ich nicht in den Anschlag gelaufen. Knapp unter 190 war der höchste Puls, den ich dieses Jahr erreicht hätte. Die 10Jahre vorher bin ich immer ohne Blick auf den Puls gelaufen. Die Wahrheit im Pmax dürfte zwischen 190 und 204 liegen. Insofern sind 150 für nen lockeren ldl schon viel. Der sollte unter 140 liegen, auf den ersten 3, 4km eher um 130. Also, Problem Puls ist nach der Erkältung vor knapp 3 Wochen noch immer nicht grün. Kaage! Ich wollte eigentlich aus dem Schlappschritt laufen mal raus und bissl Abwechslung ins Training bringen. Nee! Dann jetzt wohl doch noch nicht. Also Morgen doch noch nicht. Heute war eh Schlurfen angesagt.
Den Puls beobachte ich. Ansonsten geht es einfach im Wohlfühldembo weiter. Geht der Puls bis zum S-Bahnhof Wuhletal nicht runter, geht es da auf den Heimweg. Ab da sind es 4,5km gen Heimat – wird dann ne 10er Runde.
Nach 3km erreiche ich das Wuhletal. Rechts weg und einfach immer die Wuhle entlang. Radfahrer und Spaziergänger kommen im letzten Tageslicht entgegen. In den Gedanken bin ich eigentlich überall und nirgends. Mal ist es die weitere Trainingsplanung, mal sind es Projekte, die ich daheim oder auf Arbeit am Laufen habe. Der Weg fliegt dahin. Der Puls geht runter. Huch! Was ist das denn? Weder die gefühlte Belastung, noch die Pace ändern sich signifikant. Aber plötzlich stehen da nur noch 140! Ups, das geht in den richtigen Bereich. Wie kommt das denn bitteschön jetzt? Wer hat die Laufuhr manipuliert? Ist es nur, dass ich bei km5 am S-Bahnhof nicht auf den Rückweg gehe? Steuert da wer was im Unterbewußtsein?
Lustige Fragen. Nein, ich suche nicht wirklich nach ner Antwort. Das Körpergefühl, die Belastung ist komplett dunkelgrün. 10 Schläge mehr sind kein wirklicher Grund zur Sorge.

Puls, Pace und Höhe über der Distanz

Reichlich km5, der S-Bahnhof ist erreicht. Kurz vorher warf ich noch mal einen Blick auf die Uhr. 140. Alles grün. Wie selbstverständlich laufe ich über die Brücke und geradeaus zum S-Bahnhof. Jederzeit kann ich nun drehen. Es geht auf der einen Seite der Wuhle bis zum Kienberg, um den drumherum, hoch, runter und auf der anderen Wuhleseite retour. Will ich jetzt noch drehen? Hmm, irgendwie eigentlich nie. Einfach schauen wie es läuft.
Andere Seite der S-Bahn. Ich bin wieder direkt an der Wuhle. Der Blick geht zur Uhr. Puls 152. Echt jezz? Die ganze Zeit war er niedrig, und kaum dass ich an der Wendestelle vorbei bin, peng, hoch. Das muß ferngesteuert funktionieren. Niemals nich ist das von allein so, denkt sich der Schalk. Aber jetzt ist auch irgendwie gut mit diesen Gedanken. Ich hab keine Lust Uhr- oder Pulsgesteuert zu laufen. Ich will jetzt einfach laufen. Also gut, gemacht habe ich das ja auch vorher schon. Aber die Gedanken gingen immer irgendwie dahin und in mich rein und überhaupt. Nee! Keinen Bock da drauf! Laufen!
Und ja, nach 7km war ich dann irgendwie endlich einfach nur im Laufen. Ab und an schaute ich mal noch auf die Uhr. Jup, ich sah, dass die Durchschnittspace janz sachte von 5:10 in Richtung 5:15 ging. Aber mei, das war heute komplett egal. Einfach nur laufen. Und jetzt war es irgendwie wie wenn der Autopilot eingeschalten worden wäre. Navi war programmiert. Den Weg finden die Beine quasi ohne Kopf. Da scheinen die Augen zum Abgleich zu reichen. Die Justage der Geschwindigkeit funktionierte auch so. Ging es drei Höhenmillimeter aufi, kam automatisch janz leichter Druck in den Abdruck. Oabi gings jezz eher nicht so. Auch keine Millimeter. Dieses cruisen war wieder einfach geil! Ich konnte über alles mögliche Nachdenken – oder auch mal gar nicht. Das Laufen fand gerade parallel einfach so statt. Manchmal fiel mir dieser Zustand auf. Das war janz kurz Wundern und dann eigentlich mehr so genießen – bis man wieder von irgendwas abgelenkt wurde. Dann kreisten die Gedanken kurz darum und dann war man wieder einfach weg. Oder war man da? Die Konzentration ging schon auf den Weg, ich nahm die Grasnarbe wahr, schaute wie ich den Fuß aufsetzen muß, weil der Weg ausgetreten und uneben war. Und dann war ich einen km weiter und hatte es gar nicht gemerkt. Ich liebe diesen Zustand des Laufens!
Kienberg. 50, 60hm hoch. Entspannt, locker, ruhig ging es heute hoch und ebenso wieder ab. Heute kein Druck. Heute rollen lassen. Wieder Wuhletal. Noch 7km. Im Autopiloten wird gerade von Null-Energiebedarf auf leichten Bedarf umgeschalten. Lief es bis hier her ohne Anstrengung, also einfach so, wollte da grad jemand einen janz leichten Lasteintrag, etwas Belastung im Abdruck. Nach 13km natürlich normal. Die Wahrnehmung finde ich grad deswegen spannend, weil eben vorher gefühlt keine Energie notwendig war. Natürlich ist das Quatsch. Allein der Pulsverlauf zeigt, dass das nicht so ist. Aber ja, es ist ja immer das was der Kopf dann daraus macht, das Gefühl, das man zum Lauf, zur Bewegung hat. Schön! Immer wieder schön, das so zu erleben!
Der Heimweg läuft dann einfach so weg. Kurz nach dem S-Bahnhof treffe ich noch nen Lauffreund. Kurz Ratschen und dann weiter.
Vielleicht 1,5km vor daheim frage ich mich dann noch mal ganz bewußt, ob das jetzt heute anstrengend war. Hmm, vielleicht funktionieren die Gedanken nach knapp 2h Laufen auch nicht mehr so gut. Auf jeden Fall wußte ich darauf nicht gleich ne Antwort. Dann ging mir durch den Kopf, dass 20km Laufen doch anstrengend sein müsse! Aber nein, das war es eher nicht. Langsamer Dauerlauf auf dieser Kurzstrecke. Das paßt dann schon. Ganz zufrieden war ich aber nicht mit der Antwort. Und vielleicht nen halben km später fiel mir auch auf warum das heute so war. Manchmal laufe ich und die Beine sind gefühlt so schwer, dass ich eigentlich nach jedem Schritt einfach stehen bleiben könnte. Das ist dann kein rundes Laufen. Innerlich läuft man wie abgehakt. Mag sein, außen sehen die Bewegung flüssig aus. Aber im Kopf ist quasi jeder einzelne Schritt eine Überwindung immer wieder weiter zu laufen und eben nicht einfach stehen zu bleiben. Heute war das ganz anders! Heute war der Schritt rund und flüssig. Nach dem Auftreffen des Fußes auf dem Boden hielt keiner den Schuh fest, sondern da waren wie Federn in den Schuhen und der Fuß schnellte wie von allein nach oben. Ein schöner, runder, lockerer Lauf!
Mal schauen wo der Puls die nächsten Läufe sein wird. Dembo gibt es leider erst wieder, wenn das wieder normal ist. 30er wohl auch. Aber dieses lockere cruisen nach Lust und Laune, das kann erst mal so weiter gehen – sehr gern auch immer wieder mit Autopilot!
😉

Eine doddal verrückte Diagonale (2012)

Der Lauf nennt sich bei den Einheimischen auf La Reunion „Grand Raid“ oder auch „La Diagonale des Fous“ – Die Diagonale der Verrückten und es war ein total verrückter Lauf.
170km, 10600 Höhenmeter standen in der Ausschreibung. 9800 Höhenmeter gestehen sie uns auf dem Finisher-Shirt noch zu. Es war mein erster Lauf weit über 100km. Der Zugspitz-Ultratrail ist das bisher schwierigste, das ich vorher gelaufen bin. Die Zahlen an sich sind angsteinflößend. Wem diese Zahlen wirklich Angst machen, der sollte Abstand von dem Lauf nehmen. Er gilt als einer der härtesten Trailläufe der Welt.
Mich haben sie beeindruckt.
Ich habe Berichte zu diesem Lauf gelesen. Die klangen schon irgendwie komisch, nicht vorstellbar, vielleicht auch einfach nur verrückt. Aber bei der Zugspitze letztes Jahr meinte ich doch begriffen zu haben, wie man so was langes laufen kann. Also ist sie doch nicht so unvorstellbar? Nein, doch nicht. Und was die anderen können, kann ich auch. Also wurde nach der Absage des UTMB im Frühjahr gebucht.
Viele Fragen spukten mir vor dem Lauf im Kopf rum.
Wie läuft man gerade in der zweiten Nacht? (Start ist 22Uhr Ortszeit und mehr als zwei Nächte wollte ich nicht unterwegs sein)
Schafft man es weiter hinten die laufbaren Passagen laufen zu können?
Wie ist der Kopf in der Lage mit Unwägbarkeiten klar zu kommen?
Kann ich mich auch nach so vielen Stunden noch sicher im Gebirge bewegen?
Erkennt man Grenzen und überschreitet sie nicht?
Wie reagiert der Magen auf diese Extrembelastung?
Machen die Knie und vor allem die Oberschnekel die vielen Bergabpassagen mit?
Schafft man es ohne Krämpfe durch zu kommen?
Was für Klamotten braucht man wo? Umziehen, nicht umziehen?
Die Antworten, oder einen Teil davon sollte es geben – vom 18.10. um 18Uhr ab Cap Méchant bis irgendwann am 20.10. in Stade de Redoute in St. Dennis auf der Diagonale der Verrückten 2012 auf La Reunion.
Wir reisten bereits anderthalb Wochen vor dem Lauf an und besichtigten Teile der Strecke im Vorfeld. Das war genial! So hatten wir Ideen zu dieser Strecke. Ja, Teile der 170km sind laufbar. 😉 Gerade eine Idee für die letzten Abschnitte, die mit Sicherheit mental Härtesten zu haben, stellte sich als hervorragend heraus. Die Akklimatisierung kann sich als sinnvoll herausgestellt haben. Ich empfand das Klima von immer locker über 25°C durch den Wind als nie wirklich unangenehm – auch beim Laufen. Da stören mich in Deutschland 22°C manchmal mehr, als dort 28°C. Klingt komisch, ist aber so. Vielleicht auch, weil man ja auch sein Lauftempo anpaßt. So unterirdisch langsam wußte ich gar nicht laufen zu können. Nein, Blödsinn. Einen großen Einfluß hat bei uns Ottonormalläufern die Differenz von Brutto und Netto. Allein die reinen Pausenzeiten an den VPs addieren sich mächtig. Aber anständig essen schien mir bei diesem Lauf nun mal extrem wichtig.
Die letzten Tage vor dem Lauf wurde nur noch ein wenig gewandert. Eigentlich ist ja alles, wie beim Zugspitz-Ultratrail (Anmerkung: das war mein bis dahin längster „Berglauf“), nur etwas länger. Also muß das Tapern auch nicht viel anders aussehen. Aufregung vor dem Lauf kam aber irgendwie nicht auf. Klar drehten sich die Tage vorher viel, oder fast nur noch um den Lauf. Aber das war keine Wettkampfspannung. Mehr ein Erstellen und Abarbeiten einer imaginären Checkliste und ein mehr oder weniger starkes Adaptieren dieser Liste über der Zeit. An welchem VP darf man in keinem Fall vergessen die Trinkblase aufzufüllen? Nur einfach der Blick auf km zwischen den VPs kann da etwas daneben gehen. Wir planten im Schnitt mit 2h/10km und sollten die VP-Pausen nicht einbeziehend gar nicht so falsch liegen – jedenfalls in Teilen der Strecke. Für mich sind das etwas komische Zeiten. Aber auch hierfür waren die vielen Tage vorher auf der Insel gut. Diese notwendige Langsamkeit gewann Platz im Kopf.
Gerade im Flieger auf dem Rückflug sitzend, überlege ich, ob ein paar Tage im Anschluß nicht auch noch schön wären. Andererseits kann man die Schmerzen der Heilung und die Regeneration durchaus auch daheim ertragen. Jetzt noch auf der Insel zu sein, hieße nicht wandern gehen können. Das wäre wohl noch blöder. Dann lieber so.
Und dann war es Mittwoch, der 17.10. und Zeit die Startunterlagen abzuholen. Vorher packten wir noch unsere Beutel für Cilaos (km72) und Savannah (km136) in der Hoffnung wir müßten diese nicht mit zum Start nach Cap Méchant nehmen, sondern könnten diese bereits in St. Dennis abgeben. Eine Hoffnung, die sich nicht erfüllte. Andererseits war damit alles gepackt und somit anderthalb Tage vor dem Start alles ready to go, da natürlich gleichzeitig Laufrucksack und Wettkampfsachen bereitgelegt wurden. Sehr schick. Ziemlich streßfrei. So blieb wieder etwas Zeit die besichtigte Strecke in Jogmap zu dokumentieren. Jogmap war eine Laufplattform in der ich diesen Bericht 2012 auch schrieb und Aufschreiben festigt bekanntermaßen. Der eine oder andere Gedanke bezüglich des Laufs kam auch erst beim Aufschreiben. Hat doch auch was. Das Startunterlagen abholen war recht unspektakulär. Das eine oder andere würde ich beim Verteilen der Sachen der Sponsoren anders machen. Das Anstellen nach Startunterlagen, T-Shirt und Werberötel ging mir etwas auf den Zeiger. Letzteres muß man ja auch nicht und es gibt Schlimmeres. In jedem Fall kam so langsam etwas Wettkampfspannung auf.
Eine Nacht noch entspannt schlafen und dann war er da, dieser, jener, welcher Tag. Und lang wurde er. Vormittag doddale Entspannung, anständig Mittagfuttern, Mittagsschlaf, Kaffee trinken und gegen 15Uhr starteten wir zum Bus der uns auf die andere Seite der Insel von La Possession aus zum Start nach Cap Méchant bei St. Phillipe bringen sollte. Der fuhr dann an einer anderen Haltestelle und etwa ne Viertelstunde später, aber auch das ging alles ziehmlich locker und streßfrei ab. Entspannung doddal. Wird noch lustig genug.
Unser Bus startete in La Possession und in den Orten auf dem Weg sammelten wir immer mehr Leute mit dem gleichen Ziel ein. Bei den Verabschiedungen lief mir dann erstmals ein Schauer über den Rücken. Ist es die Situation? Ist es das, was man hinein interpretiert? Wir hatten alle Großes vor. Es war diese positive Stimmung, die Spannung des Aufbruchs, die Gänsehaut verursachte. Die Fahrt dauert fast ewig. Wir hielten hier und da und dort, stauten uns wie erwaret von St. Joseph Richtung Cap Méchant und kamen trotz allem – wahrscheinlich auch so geplant – knapp 2h vor Start in Cap Méchant an.
Die Rucksackkontrolle inkl. des Zugangs zum Stadion war dann wieder wenig deutsch, aber wir waren ja auch in Frankreich und der diesbezügliche französische Charme gepaart mit südseeländischer Ruhe ergibt eine sehr spezielle Mischung. Der deutschen Mentalität könnte das Wort entspanntes, organisiertes Chaos entspringen. Aber das ist wirklich zu klein gedacht. Ein sehr spezieller Charme halt. Im Stadion gab‘s noch mal was zu futtern, die Beutel für Cilaos und Savannah mußten abgegeben werden und plötzlich waren es nur noch 30min bis Start. Ich wollte weit nach vorn. Bei etwa km 20 geht es in einen sehr schmalen und steilen Pfad, auf dem Überholen nicht wirklich möglich ist. Dort soll es dann immer wieder weiter hinten Staus geben. Hihi. Ich denke wir waren am Ende des ersten Drittels vom Starterfeld. OK, dann ist das so.
Jetzt wurde die Lampe aus dem Rucksack geholt, kontrolliert wo Mütze, Handschuhe, Jacke und Windhose waren. Es war längst dunkel. Der Himmel war wie die letzten beiden Tage auf der anderen Seite der Insel auch stark bewölkt. Geregnet hatte es im Norden trotz dieser Bewölkung nie. Warum sollte sich das also jetzt ändern? Kalt war es nicht. Angenehme 25°C. Die Minuten vergingen – natürlich in Ruhe. Ich war ruhig. Eine konzentrierte, kontrollierte (?) innere Ruhe vor dem was kommen sollte. Ich war vorbereitet. Der Rest würde sich ergeben und meist eh anders als gedacht.
Noch 10min bis Start. Garmin an. Zeit den Rucksack völlig ruhig ein letztes Mal zu kontrollieren. Aufstehen. Rucksack auf. Lampe auf. Kabel zum Rucksack einfädeln. Lampencheck, OK. Garmin sucht Satelliten. Noch fünf Minuten. Track auf der Uhr starten. Natürlich weiß der Garmin nicht, ob wir richtig sind. Hat ja noch keinen Sateliten. Zum Glück weiß ich es aber. Und zum Glück wissen die vor mir den Weg. So kann ich auch loslaufen, sollte der Garmin nicht fündig werden. Aber fünf Minuten suchte der noch nie. Warum also heute. Noch zwei Minuten. Die Favoriten werden vorgestellt, Jokes gemacht. Julia Böttcher läuft ja auch mit. Letztes Jahr an der Zugspitze überholte sie uns km5 und ich sie km75. Dieses Jahr werde ich sie eher nicht sehen. Die Uhr sucht immer noch. Egal, die Aufzeichnung ist eh mehr für die Statistik.
Anmerkung 2023: Um den Lauf auch streckenbezogen mitverfolgen zu können, habe ich mangels damaliger eigener Aufzeichnung einen GPX-Track gesucht und bei GPS-Viewer etwas gefunden, das zumindest bis Cilaos ganz gut aussieht. Wie der Track im Mafate tatsächlich verlief, weiß ich nicht mehr so genau. Aber klar ist, dass der gefundene Track im GPS-Viewer nicht über den Maido und Sans Souci geht, was ich damals definitiv lief. Auch geht der Track nicht runter nach La Possession. Ich würde sagen der Teil ab Cilaos ist in weiten Teilen anders als 2012 gelaufen, oder komplett anders.

Und dann ist er da, der spannende Moment. Die Uhr läuft auf 22Uhr. 10, 9, 8, 7, 6, 5, 4, 3, 2, 1, Start!
Jetzt gilt es!
Das wollte ich, also soll es nun auch sein?
Warum?
Was soll diese blöde Fragerei?
Weil ich das kann!
Die Massen strömen aus dem Stadionausgang. Schieben, drängeln, schubbsen, eng, so wie in älteren Berichten gelesen? Bei uns war da nix. Aber da war auch schon ein ganzer Schwung raus. Es geht nach vorn. Der Startbogen. Uhr an, langsam loslaufen. 20, 30 oder 50m, dann scharf rechts auf die Straße und nun erst mal weit geradeaus. Ich trabe mit dem Strom mit. Ich schaue auf die Uhr. Pace etwa 5er Schnitt. Alle die hier laufen haben das Gleiche vor. Alle wollen 170km laufen. Um mich rum auch einige Frauen. Wissen die hier alle, was sie tun? Ich bremse mich ein. Die Leute um mich sind so schnell wie ich oder schneller. Wie viele um mich rum haben hier wohl eine HM-Bestzeit um 1:45h? PBs werden bekanntlich im Flachen erzielt. Aha. Dann ist das eben so. Von mir aus. Für mich ist Tempo locker, kein Problem. Schneller mag ich nur aus Respekt des noch Kommenden nicht. Bis zu dem engen Pfad hoch zum Vulkan sind es ja 20km. Das wird noch.
Was schwer beeindruckt sind die Leute am Straßenrand. Es ist nach 22Uhr und hier scheinen deutlich mehr Leute am Rand zu stehen, als die Ortschaften an Einwohnern hergeben kann und es ist Volksfest! Einfach irre diese Stimmung. „Bon courage!“ hallt es immer wieder. Gänsehaut. Der Gedanke worauf ich mich hier wohl eingelassen habe, wird sofort beiseite geschoben. Der ist nicht zielführend.
Wie komme ich nach St. Dennis? 170km am Stück laufen ist für mich zu abstrakt, immer noch nicht vorstellbar – auch nachdem ich sie gelaufen bin. Die km erschrecken also nicht. Sie sind als eine Einheit schlicht nicht vorhanden. Ich habe diese km für mich zwar als unvorstellbar, aber eben beherrschbar eingestuft. Viele machen das hier jedes Jahr. Also kann ich das auch. Auch wenn ich es nicht erfassen kann oder vielleicht auch nur nicht will.
Folglich wird der Weg das Ziel!
Egal was kommt. Nicht dran denken wie weit oder wie lange noch.
Tempo raus!
Ich pendele mich zwischen 5:10 und 5:30min/km ein. Schneller als gewollt, aber langsamer, als alle anderen um mich. Egal. Die Abrechnung wird in St. Dennis gemacht. Mal sehen, wer dann noch alles vor mir ist.
Die ersten km auf der Asphaltstraße sind geprägt vom in sich hineinhören dass alles OK ist, dem Aufsaugen der Stimmung und dem Unverständnis wie so viele Leute vor mir so viel Blödsinn machen können. Zu mal das ja nun nicht alles Greenhörner auf einer langen Laufdistanz sein sollten. Ein langer Zug an Läufern war vor mir, eine langezogene Lichterkette. Der Anfang der Lichterkette außer Sicht. Ein klitzekleines bisschen schob ich schon Panik im ersten Anstieg hängen zu bleiben und nicht vorwärts zu kommen. Andererseits bliebe dann noch genug Zeit die gesparte Kraft in laufbaren Passagen hinten einzusetzen.
Bei km2 hatte es angefangen zu regen. Es war warm, also kein Problem. Hoffentlich hört es bald wieder auf. In den Bergen die Sturzbäche brauchen wir grad nicht. Ich hatte mein langes T-Shirt in einer Tüte. Somit konnte ich weiter oben auf etwas Trockenes zurückgreifen. Hose war aber bis Cilaos nur eine Kurze an Bord. Mit der würde ich oben nix anfangen können. Auf dem Vulkan wird es später kalt werden. Wir werden sehen.
Die Straße führt geradeaus. Wir biegen nun links in einen Wirtschaftsweg ein. Das muß irgendwas um km5 sein. Es geht leicht (!) bergan. Ich könnte laut losbrüllen: ‚Ihr Idioten da vorne!‘ Viele um mich gehen nun – aber nicht schnell. Entweder in dem Tempo mitgehen, oder kraftraubend überholen. Wieso mußten diese Vollpfosten alle so schnell losheizen? Wenn jeder in angemessenem Tempo losläuft wäre es doch so einfach. Aber was rege ich mich auf? Wie hies der Lauf doch noch mal? Diagonale des Fous! Genau! Also, was erwarte ich?
Die nächsten 4-5km bin ich am Überholen. Das Tempo ist gleichmäßig. Nicht zu schnell. Bloß keine Energie sinnlos verballern. Die erste Kontrollstelle kommt. Chip einlesen, Kontrolle der Übereinstimmung zur Startnummer und weiter. Der Weg wird besser. Es ist einfacher sein Tempo zu gehen und doch schneller als andere zu sein. Ich komme langsam in den Lauf. Im Nachhinein ist es fast sinnvoller zwischen km5 und dem ersten Kontrollposten nicht wirklich zu überholen, sondern dies dann ab da bis km21 zu tun. Der Weg ist da besser geeignet und es ist Zeit genug bis zu dem Anstieg. Nur, diese Ruhe hat man wohl erst im Alter…
Irgendwann wurde der Regen weniger. Es hörte auf. Hoffnung schöpfen. Alles wird gut. Nicht lange hin finge es wieder an, diesmal umso heftiger vielleicht hätte ich mir doch noch ne Goretexjacke zulegen sollen. Für den UTMB dann ganz sicher. Hier war die wasserabweisende, winddichte Jacke i.O. Erster VP bei km11. Chipcheck, Startnummerkontrolle und weiter. Das Wasser in der Blase reicht bis km21. Es wird ruhiger. Ich habe Leute in meinem Tempo gefunden. Ab jetzt kein Streß mehr. Einfach nur Laufen. Ein wenig schaue ich schon mal auf die Markierungen – auch wenn man diese hier noch nicht braucht. Das wird im Dunklen, wie im Hellen gut erkennbar sein. Ich hab ja eh den Track auf der Garmin, aber egal. Verlaufen sollte nicht das Thema sein – war es auch die gesamte Strecke über nicht.
Wir kommen langsam höher. Der Wind nimmt zu. Noch ist es nicht kalt im kurzärmligen Laufshirt trotz Regen. Der Wind wird dies aber Stück für Stück ändern. Also doch schon mal das trockene lange Shirt raus und Jacke an. Im Rucksack ist nun nur noch das nasse, kurze Shirt und Schluß. Das muß so bis Cilaos reichen. Wird es auch! Zum einen wird es ja eh bald aufhören zu Regnen und zum anderen wird es nicht so kalt. Bei bedecktem Himmel und Regen ist es weiter unten auch kein Problem – von den Temperaturen her. Nur den Vulkan muß ich überstehen.
VP21. Ab jetzt beginnt der Grand Raid. Jetzt geht es steil bergan. Ich war gespannt auf den Trail. Als anstrengend und teilweise schwierig wurde er in Berichten beschrieben. Jetzt kurz verschnaufen, Essen, Trinken, Wasser fassen und dann erst weiter.
Futter war gut! Baguette mit Käse oder Schinken. Also Baguette mit Käse und Schinken. Lecker! Weiter gab es Rosinen, Riegel, Schokolade, Bananen, Kekse. Mehr habe ich mir nicht gemerkt. Gab es dort Suppe? Egal. Die Suppe sollte auf jeden Fall über die nächsten vielen Stunden den Körper am Arbeiten halten.
Die Getränkeauswahl war einfach. Wasser oder Cola. In die Trinkblase kam Wasser. Cola wollte ich hier in keinem Fall schon nehmen. Die Verweildauer war ausreichend, aber kurz. Gut Präpariert ging es in den Trail. Auch im Eingang zum Trail standen wieder Leute ohne Ende am Rand, machten richtig Stimmung. Klasse!
Schwer gespannt war ich nun auf diesen Streckenabschnitt. Was würde kommen? Was kam waren knapp 1400Höhenmeter auf 6km auf einem steil ansteigenden Pfad. Technisch schwierig war da aber nichts. Der Pfad war schmal und an einigen Stellen waren die Tritte wirklich Kniehoch und höher. Aber das ist hier ja auch nicht der Berlin-Marathon für den manche Leute reichlich 2h brauchen. Zügig, aber nicht zu schnell stiegen wir in einer langen Schlange an Läufern nach oben. Ein paar Unbelehrbare mußten unbedingt überholen und Kraft verballern. Ich hätte mir die Startnummern merken sollen. Wäre interessant, ob und wann die in St. Dennis ankamen. Am Rand saßen nun immer wieder mal erschöpfte Läufer, pumpten wie die Maikäfer und verschnauften. Hätte ich das nicht bereits in Berichten gelesen, ich hätte riesige Fragezeichen im Kopf gehabt. So wunderte ich mich nur ein bisschen. Langsam wurde die Vegetation weniger, der Wind griff immer mal wieder zu. Aber noch war es nicht zu kalt. Es ging. Mittlerweile hatte ich meine Windhose angezogen. Der komplette Schutz gegen kalten Wind war gut. Während es im Anstieg aufgehört hatte zu regnen, fing es nun oben wieder an. Wie lange würde das so gehen? Wie werden die Wege sich entwickeln? Ist es noch weit? 😉
Nächster VP (km29 Foc Foc/crête de l’Enclos). Ich hatte Hunger und sehnte mich schon nach den leckeren Baguettes. Leider Fehlanzeige. Auch warme Suppe gab es nicht. Dafür aber warmen Tee. Der wurde recht langsam auf Anfrage ausgeschenkt. Kam mir vor wie wenn es Goldstaub gäbe. Zwei Becher wärmten etwas auf und bevor ich weiter auskühlte ging es fix weiter. Der nächste VP ist nicht weit und die Höhenmeter hatten wir auch erst mal im Sack.
Jetzt ging es entspannt zügig laufend auf einem breiteren Pfad in der Ebene entlang. Einfach langsam laufen lassen, erholen vom Anstieg, Kraft sparen. Es lief.
Ein Läufer fragte mich nach meiner Lampe. Wieviel Lumen sie hätte und wie lange das Akku bei Leuchtkraft halten würde. Ich meinte, nur die mittlere Stufe (170lm) eingestellt zu haben und mit dem Akku über beide Nächte kommen zu wollen. Volle Leuchtkraft sind 1100Lumen und das Akku hat 11Ah. Am Ende des Laufes war es noch zu 20% voll und ich hatte ein kleines Reserveakku mit 1,7Ah ja auch noch anbei. (Anmerkung 2023: Die Diagonale war der einzige meiner langen Ultras, bei dem ich tatsächlich das 11Ah-Akku bei hatte. Das ist viel zu schwer und zu groß. Aber es geht heute noch! Später hatte ich nur noch die 2,3Ah-Akkus bei. Die reichen bei 170lm auch locker zwei Nächte. Nur bei Leuten hinter einem mit hellem Licht muß man auch mal auf 330lm aufblenden, weil man sonst im eigenen Schatten läuft. Dann ist ein Reserveakku für die zweite Nacht hilfreich.)
In dem Nebel oben auf dem Vulkan zeigte sich die Entscheidung als goldrichtig sehr viel Geld für dieses Spielzeug ausgegeben zu haben. Da blendete ich öfter stärker auf – immer in Abhängigkeit von der Reflexion des Nebels.
Wir unterhielten uns in Englisch. Das ging gut. Dann fragte er wo ich her käme. Auf meine Antwort „Berlin“ kam: „Na dann können wir ja auch in Deutsch weiter reden.“ ;-)) Sehr schön. Hier starten 18 Deutsche unter 2.752 Leuten und wir treffen uns auf der Strecke. Er ist auf LaReunion geboren und sehr früh schon nach Deutschland. Aber da sein Vater dort lebt, kennt er natürlich die Diagonale. Einmal mußte er aussteigen. So meinte er man müsse bis zum Mafat zwar Kräfte sparen, aber laufen, da im Mafat ein Laufen quasi nicht mehr möglich ist. Die km macht man vorher. Er war gut drauf und ich lies ihn ziehen. Gerade sah ich, dass ich in Cilaos wenige Minuten vor ihm rein bin. Im Anstieg Richtung Piton de Neiges (zum km65) muß ich ihn überholt haben. Schade, nicht mitbekommen. In Cilaos müssen wir uns fast auf den Füßen gestanden haben. Nächste Zwischenzeit in Marla war er jedenfalls 2h nach mir. Aber auch er ist in St. Dennis angekommen!
Normalerweise ist die Strecke vom Vulkan an, also ab etwa km29 bis km52 sehr gut laufbar. Das stimmt. Nur, ich weiß nicht, ob ich es schon erwähnte. Es regnete. Es regnete seit etwa 22:10Uhr mehr oder weniger stark fast ohne Unterbrechung. Weiterhin sei zu erwähnen, dass die Strecke von den ersten 20km abgesehen bis Ortseingang Cilaos ausschließlich aus Pfaden bestand. Kein Wirtschaftsweg, keine Straße – doch! Mal ein km kurz vor km52. 😉 Bei der Streckenbesichtigung meinte Andreas noch so: „Nur regnen sollte es nicht.“ Wir lachten darüber bei strahlendem Sonnenschein.
Die Wege waren ausgesprochen lustig zu laufen. Teils lief man doch noch von Stein zu Stein. Davon sind wirklich reichlich auf den Wegen. Teilweise lief man an den Wiesenrändern. Öfter blieb aber gar keine andere Chance, als mitten durch den Schlamm zu laufen. Oft hatte ich Glück und hatte einen vor mir, der dann in die knöcheltiefen Stellen rannte und ich konnte so woanders hintreten – immer in der Hoffnung nicht ganz so tief zu versinken. Die10 oder 15km vor km 52,4 (Mare à Boue) durch Matsch und Schlamm und aufgeweichte Wiesen zogen nicht nur Kraft, sondern auch Moral. Irgendwann seit dem Vulkan entwickelten sich Blasen. Goretexschuhe wäre sicherlich gut. Aber irgendwann wäre es auch da oben reingelaufen. Heilfroh war ich von Andreas zum Geburtstag noch Gamaschen geschenkt bekommen zu haben. Die waren Gold wert. Wer weiß wieviel Dreck sonst noch da in den Schuhen gelandet wäre.
Etwa bei km50 kamen wir auf ein kurzes Stück Asphaltstraße und sehr, sehr viele gingen hier, konnten sich offensichtlich nicht zum Laufen motivieren. Ich lief. Langsam, aber ich lief. Den nächsten Streckenabschnitt kannte ich von einer Wandertour ein paar Tage vor dem Lauf. Am VP wollte ich mindestens ne Viertelstunde pausieren und dann frisch gestärkt den Anstieg in Richtung Piton de Neiges angehen. (Man läuft nicht zum Piton de Neiges hinauf, sondern biegt in einem Sattel (Caverne Dufour) dann nach Cilaos nach unten in den Cirque de Mafate ab.)
Am VP km52,4 angekommen war ich platt! Richtig platt! Und ich hatte keine Vorstellung wie ich die nächsten 120km noch absolvieren sollte – wirklich keine Idee. Also Ruhe bewahren, ne Suppe, noch ne Suppe, Sitzen, den Beinen Ruhe gönnen und Futtern und trinken und bloß nicht an das Kommende denken. Der nächste Step war der Anstieg nach Caverne Dufour – nix anderes. Ich weiß nicht wie lange ich da saß, aber da steht doch in der Tat Andreas vor mir. Wie geil ist das denn?! Ich schnappte mir noch ne Suppe, wir quatschten kurz und er meinte keine Vorstellung zu haben, wie wir die restlichen km noch Laufen könnten. Na dann. Willkommen im Klub!
Ich war mittlerweile wieder einigermaßen i.O. und Andreas ist hochzu eh nicht ganz so schnell wie ich. Also machte ich mich los. Wir würden uns schon noch wieder sehen. Nach Cilaos geht es weit nach unten. Da bin ich eine Schnecke gegen ihn.
Erst mal ging der Weg weiter wie gehabt. Schlamm und aufgeweichte Wiesen. Dann kam aber Abwechslung ins Spiel. Es ging ja hoch. Und es regnete. Und das Wasser fließt bekanntlich von oben nach unten. Und der noch vor Tagen besichtigte trockene Knüppelpfad war nun mal Schlamm (zwischen den Knüppeln), mal schlichtweg ein kleiner Bach. Die Schuhe wurden also wieder sauber. Naß waren die Füße eh schon seit dem Anstieg zum Vulkan, also irgendwas nach km20, aber nun wurden sie abwechselnd eingesaut und gewässert. Einzig, im Anstieg störten die Blasen nicht. Hoch konnte ich gut gehen. So überholte ich wieder einige Leute. Es lief wieder sehr gut. Die Pause war goldrichtig. Leute, die aus dem VP raus sind, als ich reinkam passierte ich einiges vor dem nächsten VP bei km64,7. Auch hier machte ich wieder ausreichend Pause und sammelte Kraft für den langen und gefürchteten Abstieg. Sehr steil und teilweise sehr schwierig sollte er sein. So las ich es in Berichten. OK, steil war er. Immerhin ging es auf 5km 1100Hm runter. Aber technisch schwierig war er gar nicht. Die Tritte waren teilweise wieder kniehoch. Das schlaucht natürlich. Wenn man da runterhämmert und das nicht gewöhnt ist, kann man sich dort schon ordentlich die Knie ruinieren. Ich lies mir Zeit. Vielleicht sollte ich sagen ‚Ich mußte mir Zeit lassen.‘ Jetzt machten sich die Blasen so richtig schön bemerkbar. Jeder Schritt tat weh. Ein Auftritt auf einen scharfen Stein an der falschen Stelle löste leichtes Stöhnen aus. Zum Glück war ich allein. Zum Glück stehen in Cilaos frische Schuhe und trockene Socken und zum Glück gibt es dort einen Med-Punkt mit Fußversorgung. Beim Blick auf die Route map hatte ich über die Fußversorgung noch gelächelt. Ich hatte noch nie im Wettkampf ein größeres Problem mit Blasen. Und wenn, dann wurde durchgelaufen. Zähne zusammenbeißen und durch. Hier kamen aber noch 100km und für die würde ich noch mindestens 20h benötigen!
Am schlimmsten beim Ablaufen waren die Blasen unter beiden Fußballen. Geil wenn man da auf ne Kante trat. Die letzten drei km nach Cilaos rein lief man Asphaltstraße bergab – Hölle! Es ging bergab und ich ging. Laufen war unmöglich. Ich spürte wie sich bei jedem Schritt an der Hacke die Blasen vergrößerten. Und es gab keine Alternative. Es sollte einfach nur aufhören. Ja, da hatte ich nen Rock an! 😉
Ich denke, ich muß nicht erwähnen, dass es regnete. Erwähnenswert ist allerdings, dass die Schleusentore kurz vor Ankunft am VP Cilaos noch einmal ganz weit geöffnet wurden. Es schüttete wie aus Kannen. Nicht dass das irgendetwas änderte. Naß war ich vorher auch schon. Nur jetzt tropfte wirklich alles. 😉 Ich wrang die Handschuhe und die Mütze aus. Irre, was da für Wasser rauskam. Vielleicht 400m vor dem VP klopfte mir dann noch jemand von hinten auf die Schulter, Andreas. Geil! Ich ging, er lief, holte schon mal unsere beiden Beutel.
Wir trafen uns im Trockenen beim Essen, suchten uns eine ruhige Ecke und zogen erst mal die komplett durchgeweichten Lumpen aus. Mit trockenen Sachen machte ich mich auf den Rückweg zum Stadioneingang zur Fußversorgung. Schuhe aus. Socken aus. Schadensanalyse. Die Füße waren komplett aufgeweicht. An den Ballen waren gar keine großen Blasen, nur kleine. Dafür aber schöne Druckstellen. Die Hacke war mit einer umfänglichen Feuchtbereifung umschlossen. An den Zehen war leichter Kollateralschaden.
Das Mädel am Med-Punkt machte wirklich nen guten Job. Die Blasen wurden mit einer Spritze mehrfach aufgestochen und ausgedrückt, um dann Desinfektionslösung einzuspritzen. Das ganze wurde getapt und fertig. Mittlerweile lag ich ne halbe Stunde in trockenen Sachen bei Sonnenschein mit immer noch schmerzenden Füßen. Andreas hatte sich schon wieder verabschiedet. Auf dem Weg zurück zum Essen schmerzten die Füße aber doch noch so, dass ich mir nicht vorstellen konnte weitere 100km mit diesen Blasen zu absolvieren. Schon der Ritt nach Cilaos runter war die Hölle und Abstiege kamen noch genug!
Muß ich das haben?
Die trockenen Klamotten waren schon toll. Die trockenen Schuhe auch. Die Schmerzen ließen langsam nach. Es ging mir wieder besser.
Wie lange würde ich in dem Zustand bis St. Dennis benötigen? 25h, 30h? es waren noch 100km! Noch nicht einmal die Hälfte! Noch nicht einmal die Hälfte an Höhenmetern!
Wie lange dauert es bis Klamotten, Schuhe, Socken wieder durch sind?
Jetzt ist es doch gerade angenehm. Wieso schon wieder den Scheiß von vorhin? Wieso diesen Scheiß und dann noch mal länger, als bisher schon? Wozu jetzt weiterlaufen, wenn ich doch eh nicht bis St. Dennis komme? Brauche ich das? Dann doch besser gleich Schluß.
Hier kann mich Silke mit dem Auto abholen. Sie wird begeistert sein diese Straße hier hoch fahren zu müssen. Das ist für sie die Hölle. Aber der nächste Ausstieg ist erst wieder bei km121 in Maido – 50 weitere km und mindestens 12h, sicherlich eher mehr.
Nein, das brauche ich nicht! Wenn schon nicht bis St. Dennis kommen, dann wenigstens jetzt aufhören. 30h laufen und dann aufhören müssen ist viel dämlicher, als nach 15h dem Schrecken ein Ende bereiten.
Ich rief Silke an und die Mädels machten sich auf den Weg.
Jetzt wollte ich erst mal was Essen und dann in Ruhe vor zur Zeitnahme gehen, mich abmelden.
Es gab Suppe und dann Reis und Huhn. Irgendwie hatte ich keinen Hunger. Die Läufer die reinkamen und aßen sahen geschafft aus. Aber aus den meisten Gesichtern sprach Optimismus. Es war gerade erst 15:30Uhr. Für viele war das sicher eine gute Zeit jetzt schon in Cilaos zu sein.
Und was mache ich? Ich höre auf!

Doddal verrückt durch finstere Nacht!

Es ist Freitag, der 19.10.2012 um 15:50Uhr. Ich sitze in Cilaos auf la Reunion in einer kleinen Baracke direkt am Stadion des Ortes. Vor mir steht ein Klamottenbeutel voll mit quatschnassen Laufklamotten, pottdreckigen Socken und Schuhen. Daneben steht mein Laufrucksack. Stirnlampe, Rettungsdecke, Sanipäckchen, trockene kurze Laufsachen sind drin. Mir ist wieder warm. Lange Hose, langes Flies und Windjacke sowie trockene Socken und Schuhe sind hierfür wohl vor allem verantwortlich.
Ich warte.
Sicherlich eine Stunde wird es noch dauern, bis Silke da ist. Um mich herum kommen Läufer an, essen, gehen. Viele Leute sind es nicht. 72km haben wir alle hinter uns. 98km haben die anderen noch vor sich. 72km. Das ist gerade mal der Rennsteiglauf. Die kann man auch mal in 6:15h laufen. Ich brauchte heute 15:24h dafür.
Wie viele Lauf-km habe ich in diese Vorbereitung gesteckt? Wie viel Zeit investiert? Was an Equipment noch gekauft. Und nun sitze ich hier und warte, dass Silke mich einsammelt. Blasen. So was doddal Triviales. Nicht irgendeine heroische Verletzung, kein Kopf unterm Arm, keine Krämpfe, keine lädierten Knochen, nichts. Muskulär ist alles top in Ordnung. Die Beine sind ausgeruht und bei jedem Schritt den ich bergab nach Cilaos gegangen (!) bin, hätte ich schreien können – ein wenig vor Schmerz und vor allem vor Wut. Weitere 98km so etwas? Nein! Das geht nicht.
Der Kopf ist nicht mehr im Wettkampfmodus. Ich habe ausgeschalten, keine Lust mehr auf irgendeinen km. Mir ist warm und ich habe fertig.
Aber die Blasen sind doch versorgt. Ja, man merkt sie schon noch deutlich, aber die Schuhe sind trocken, die Socken frisch. Warum sollte es jetzt nicht weitergehen? Alle anderen, die sich an den Füßen versorgen ließen, hören die jetzt auch alle auf? Wozu ist das denn dann gut? Vielleicht solltest du doch einfach mal aufhören zu heuln und es einfach mal angehen. Gegenüber denen, die da erst mitten in der Nacht planmäßig hier sein werden hast du doch wohl ein ernsthaftes Luxusproblem!
Es ist 15:55Uhr. Ich schaue in die Gesichter der ankommenden Läufer. Ich sehe den Optimismus in den Augen. Sie holen sich was zu Essen und dann wird es weiter gehen.
Ich ziehe die Schuhe aus, um die lange Laufhose gegen eine kurze zu wechseln. Die lange kommt in den Klamottenbeutel zu den alten Sachen. Das Gepäck im Laufrucksack wird noch mal angeschaut. Ein trockenes kurzes Shirt ist in ner Tüte im Rucksack. Das Flies habe ich an. Ein dünnes langes Shirt würde wahrscheinlich reichen. Das habe ich aber nicht hier anbei. Schuhe und Jacke wieder an, Trinkblase kontrolliert. Die reicht bis zum nächsten VP. Silke anrufen: „Wo seid ihr jetzt? Danke fürs schnelle losfahren, aber Ihr könnt wieder umdrehen. Ich laufe weiter.“ Der Beutel wird abgegeben, geschaut wo es raus geht zurück auf die Strecke und los. Langsam laufe ich an. Es geht. Nicht schön, aber es geht. Jetzt gilt es. Der Wettkampf ist zwar vorbei, aber jetzt wollen wir doch mal sehen, ob ich das überlebe! Was soll auf diesem T-Shirt stehen? „J’AI SURVÉCU“ – „Ich habe (es) überlebt!“ So sieht also Teil 2 aus.
Nach einem knappen km weiß ich, dass ich auch wieder laufen kann. Nicht schnell, aber es geht. Die Beine sind sowieso in bester Ordnung. Es wird warm. Rucksack ab, langes Shirt aus, Kurzes an. Noch rechtzeitig bevor es naßgeschwitzt ist, kommt es wieder in die Tüte. Und jetzt wird durchgestartet! Läufer vor mir gehen die Straße hoch. Ich laufe. 😉 ein fettes Grinsen huscht über mein Gesicht. Es ist kurz nach 16Uhr. Es ist bedeckt, aber es regnet nicht mehr – ideales Laufwetter. Bis zum Col de Tabit sind es 11km inkl. 1300Hm. Dann kommen 500m Abstieg. Es sind noch zweieinhalb Stunden Zeit bis es dunkel wird. Schade, den Abstieg hätte ich gern noch im Hellen gemacht. Aber dann sehen wir wenigstens zu noch so weit wie möglich im Hellen zu kommen. Und es geht los! Spaß macht es wieder. Hoch geht immer gut. Vorhin auch. Am VP bei km79 mache ich nur einen kurzen Stop. Die Trinkblase ist noch voll genug. Bei der Ankunft dort wird mein Chip nicht eingelesen. Nur die Startnummer wird kontrolliert. „Alles OK“, heißt es. Das Lesegerät ist wohl ausgefallen. Deshalb tauche ich auch mit keiner Zwischenzeit dort auf. 😉 So dauert es bis Marla.
Den Col de Tabit erreiche ich in der Dämmerung. Jetzt heißt es Lampe auf und los. Die zweite Nacht. Wie kommt man da durch? Wann greift die Müdigkeit? Im Moment bin ich Putzmunter und einfach nur unterwegs. Der Weg ist das Ziel. Vom Weg sieht man 20-25 Meter und ob es hoch oder runter geht und wie weit es hoch oder runter geht sieht man zum Glück eher nicht. So langsam ist der Lauf in Routine übergegangen. Auf die Uhr schaue ich lange nicht mehr wirklich. Die Höhenmeter sind mir auch ziemlich egal. Es geht einfach immer weiter bis zum nächsten VP und dort wird sich was eingeworfen. Suppe ist eigentlich Pflicht – so es welche gibt und dann gibt’s dazu ein paar Riegel oder Baguette. Hinterher noch nen Kaffee und ne Cola, kurz verschnaufen dabei und dann weiter. Vorher kurz ne Frage wie weit der nächste VP ist, kurz prüfen, ob die Trinkblase bis dahin reicht und dann aber los. Ich weiß, dass ich den Mafat erst wieder im Hellen verlassen werde. Irgendwie ist das etwas ernüchternd, aber was soll‘s. Der nächste richtige Anstieg kommt dafür eben auch erst im Hellen. Eigentlich ist es schade das Mafat nur im Dunkeln zu sehen. Es soll sehr schön sein. So ist es nun mal. Gegen 1Uhr erreiche ich den VP vor Roche Plate. Ich bin immer noch nicht müde, aber ich weiß, dass es nun ein Stück ist bis zum nächsten VP. Ich esse kurz und beschließe dann doch kurz zu schlafen. Am Telefon stelle ich mir den Wecker auf 20min später und mache die Augen zu. Nach 5min bin ich kurz wieder da, schaue hoch und mache die Augen wieder zu. 10min später bin ich wieder wach. Das reicht. Vom Prinzip bin ich von Marla aus fast durchgelaufen. Die Beine wollten etwas Ruhe. Die hatten sie. Jetzt kann es weiter gehen. Der Weg nach Roche Plate ist etwas ätzend. Es geht steil hoch, um ne Ecke und den ganzen Dreck wieder runter. Unten angekommen durch nen Bach und wieder hoch, um nach ner Ecke wieder runter zu gehen und dann das gleiche wieder von vorn. Wenn du da das Ziel Roche Plate auf dem Zettel hast, gehst du kaputt, du kommst nie da an. Immer wieder ne Ecke, immer wieder hoch und runter. Es nervt.
Immer wieder sieht man mal wieder einen Raider in eine Wärmefolie eingehüllt mitten im Wald liegen. Ich hatte davon in Berichten schon gelesen. Drollig fand ich das trotzdem. Nein, es war nicht wirklich kalt. Somit ging das. Da ich eh nicht müde war, kam mir das sowieso nicht in den Kopf. Geschlafen hätte ich vermutlich aber auch eher an einem VP. Irgendwo weit vor Roche Plate hatte sich eine Frau zwei Meter neben dem Weg einfach lang gemacht, lag auf dem Rücken, den Kopf auf nem Stein, die Arme an der Seite, den Rucksack auf dem Bauch liegend und schlief. Ich dachte ich wär im falschen Film. Es war wohl der richtige, ein verrückter Film.
Irgendwann erreiche ich den letzten VP im Mafate. Die Füße brennen längst wieder. Zu den vorhanden Blasen haben sich neue gesellt. Zum Glück sind es aber nur welche vorn an den Zehen. Der Ballen und die Ferse geben diesbezüglich Ruhe. So ist es nur in Bergabpassagen etwas anstrengend. In Roche Plate verweile ich wieder sicher eine halbe Stunde. Es heißt Kraft tanken für den letzten großen Anstieg hoch zum Maido. Ab da kenne ich weite Teile der Strecke. Das wäre alles laufbar. Haha!
Egal. Gegen 5Uhr breche ich wieder auf. Hoch mag ich. Das ist nicht so schlimm. Und ich hoffe nun ernsthaft mal nur hoch zu müssen. Der erste Hahn fängt an zu krähen. Noch ist es stockfinster, aber langsam muß es doch beginnen zu dämmern. Schnell kräht es gefühlt im ganzen Mafat um die Wette. Sonst ist es ruhig. Weit über mir sehe ich Lichter. Das muß Maido sein. Ok, das Ziel ist definiert. Nun einfach immer schön stetig bergan. Es läuft. Die Sonne geht auf. Es dauert nicht lange und man spürt die Kraft, die sie hat. Na Prost Mahlzeit. Gegen 10Uhr wollte ich in St. Dennis sein. Wenn ich Glück habe, ist es noch nicht wieder dunkel bei dem Schneckentempo. Weiter schraube ich mich den Berg hoch. Auch dieser Abschnitt ist nicht technisch anspruchsvoll. Man braucht einfach nur Geduld. Die Höhenmeter kommen dem Ziel immer näher. 1600m, 1700m, 1900m. Ich dachte bei 2000 wäre ich da. Das muß mehr sein. Bis da oben sind es nicht nur noch 100Hm. OK, dann ist das so. Aber dann ist auch die Hürde genommen. Mir brennen die Füße. Ich will zum VP. Essen, Trinken, Ruhe, Fragen, ob da vielleicht auch die Füße verarztet werden können. Die Sonne hat irre Kraft. Es ist warm. Zum Glück weiß ich, dass es bis Sans Souci viel im Wald geht.
Im Ausgang des Aufstiegs angekommen stehen wieder Leute und applaudieren. Ich halte Ausschau nach dem VP. Nix zu sehen. Man zeigt nach rechts. Ich weiß, dass es da lang geht. Aber der VP muß doch hier irgendwo sein? Ja, da lang. OK, dann da lang. Nächste Lichtung, nichts, noch ne Kurve, nichts. Sollte ich mich so geirrt haben? Ist der nächste VP doch erst wieder gegenüber dem Col de Orange (Ilet Alcide)? Das wären noch ein paar Meter! Ich mag nicht mehr. Es geht jetzt doch nur noch abwärts. Da schmerzt es richtig ordentlich unter den Zehen. Da muß einiges dazugekommen sein. Nachsehen? Besser nicht. Ich bin km121. Das sind noch mal 50km mit sofort kommenden 1700Hm runter und im Anschluß geht es auch mehr nach unten, als hoch. Nach der nächsten Lichtung ohne VP beschließe ich Ausschau nach nem Plätzchen zu suchen, wo ich mich hinsetzen und Blasenschau machen kann. Dann werden die eben selber aufgemacht und mit Vaseline abgeschmiert. Schuhe aus, Socken aus und schauen. Ein super Bild bietet sich. Beidseitig eigentlich die gleiche Katastrophe. Und so willst du also nach Sans Souci und im Grunde eigentlich noch weitere 50km bis St. Dennis. Mit dem Füßen? Wie lange bin ich jetzt schon seit Cilaos unterwegs? Wie lange tue ich mir diesen Müll hier nun schon an? Ist das hier ein Laufwettkampf? Ist diese Wanderei mein Anspruch eines Laufs? Ist es das wirklich, was ich will?
Laufen will ich. Von mir aus auch längere Strecken. Aber doch nicht diese Wanderei. 18h seit Cilaos! Für 50km! Es ist 7Uhr. Noch mal 18h drauf wäre ich Sonntagnacht erst da. Will ich das? Will ich das wirklich?
Andreas muß irgendwann in drei, vier Stunden in St. Dennis ankommen. Dem ging es in Cilaos wieder richtig gut. Wenigstens einer von uns der ankommt. Hat doch was.
War jetzt zwar ein bissl dämlich diese weiteren 18h auch noch hier rumzudümpeln, aber ein bissl Vernunft an der richtigen Stelle hat doch auch was. Schalk, mach Schluß mit dem Quatsch. Dann eben nächstes Jahr beim UTMB der zweite Versuch. Is nich schlimm. Das paßt schon.
Ich schnappte mir das Telefon und rief Silke an.

Es ist Samstag, der 20.10.2012. Ich sitze auf einer Wiese. Die Sonne scheint angenehm warm. Mit ihrer vollen Kraft trifft sie mich aber nicht. Ich sitze unter einem Baum. Als ich gerade oben am Maido ankam, suchte ich den VP. Die Füße müßten versorgt werden. Die Blasen drücken wieder Hölle. Aber da kam kein VP. Da war nichts. Ok, dann nicht! Ich ziehe die Schuhe aus, Socken aus, schaue mir an, wie das da unten so ausschaut. OK, wenn da kein VP kommt, höre ich jetzt hier auf! Ich mache die Blasen auf. Druck raus. So ist es Ok. So kann ich hier sitzen bleiben.
Ich nehme das Telefon in der Hand und höre wie es am anderen Ende klingeln muß. Es war grad erst Sieben. Diese Uhrzeit und was das in der normalen Welt im Urlaub bedeutet realisierte ich erst in dem Moment, als Silke ran ging.
„Doch Schluß!“ Nach Maido kommt man auch besser mit dem Auto. Die Straßen sind nicht so eng und den Weg kennt sie ja schon. Ich meinte, sie solle sich Zeit lassen. Die Sonne ist warm und ich hätte Zeit. Fast wollte ich schon auflegen. Da fragte ich noch kurz wann Andreas drin sein würde. Nicht dass sie mich abholt und dafür den Zieleinlauf von Andreas verpaßt.
„Andreas? Der ist noch tief im Mafat. Seine Lampe ist ausgefallen und er mußte warten, bis es wieder hell wurde. Mit anbrechendem Tag ist er in Marla erst wieder los.“
„In Marla? Dann ist er ja mindestens 35km hinter mir. Das sind Minimum 7h.“ Während des Telefonates ratterte es im Kopf: ‚Wie lange würde er von Marla seit 6Uhr bis St. Dennis brauchen. Das waren mindestens 80km. Das sind noch mindestens 16h. Wie lange würde ich brauchen? 18h hatte ich von Cilaos bis hierher gebraucht. Die Distanz von hier bis ins Ziel ist die Gleiche, aber die Strecke wird besser.‘
„Alles klar. Danke für die Info. Entschuldige das Wecken, aber das war grade seehr gut. Wir sehen uns in La Possession. Wann ich da bin, weiß ich noch nicht. Aber ich komme!“
Schuhe wieder an. Rucksack wieder auf. Nen Gel reingedrückt und weiter. Schön ist anders, aber erst mal war der Druck ja raus aus den Blasen. Dreihundert Meter weiter kam der VP. 😉
Sicherheitshalber steuerte ich das Sanizelt doch mal an. Ja, Blasenversorgung haben sie an Bord. Also Pause. Die gute Frau schaute sich etwas konsterniert mein Meisterwerk von vor wenigen Minuten an, machte lediglich etwas Tape um ein, zwei offene Blasen, lies die von mir übersehene Blase dann doch zu, schmierte alles mit Vaseline ein und meinte das wäre OK. Den Aufenthalt hätte ich mir sparen können. Aus Frust vergaß ich am VP glatt ordentlich aufzutanken und kontrollierte auch die Trinkblase nicht. Der nächste VP ist nicht weit. Das ist Ilet Alcide, gegenüber vom Col de Orange. Andreas und ich hatten bei unserer Besichtigung schöne Fotos von Calas dort gemacht.

Also weiter. Zum Glück ging es noch nicht steil bergab, sondern mehr flach durch den Wald. Es war schattig. Ich kam vorwärts. Aber warm wurde es trotzdem. Und … die Trinkblase war alle. OK, ich hatte im Rucksack für alle Fälle eine 0,33l-Flasche mit Wasser und es kam ja bald der nächste VP. Blöd nur, dass das gar kein VP war. Dort wurden nur Startnummern aufgeschrieben. Betteln wollte ich nun auch nicht nach Wasser. Eine kurze Frage nach Wasser wurde mit Sans Souci beantwortet. Und ich dachte mir dann so, Vielen Dank ihr hilfreichen … Dann eben nicht. Das schaffe ich jetzt auch noch. Nicht mehr aus dem Schirm hatte ich, dass es noch 8km bei Sans souci waren. 8km Bergab gewandert hieß unter den aktuellen Bedingungen trotzdem noch mal reichlich 2h. Das wußte ich dem Moment aber nicht wirklich in der Konsequenz. Nach spätestens ner Stunde war die Flasche dann auch gänzlich alle und dann hieß es einfach nur durchhalten. Und da ich ja nun eher mehrere Probleme hatte, konnte ich mich in der Konzentration von einem zum anderen hangeln. Das lenkt ab! 😉
Ich hatte Durst, Hunger, es ging steil bergab, wobei die Zehen mit jedem Schritt der zu stark auf der Spitze landete super brannten und mit sinkender Höhenmeterzahl fing das linke Knie an zu zicken, die Sonne knallte, ich wußte genau, dass es noch weit bis unten ist und der Weg wollte nicht enden. Das war Schalk mit richtig Rock an. Nur war ich völlig allein und konnte mich meinem Selbstmitleid völlig ergeben. Quatsch. Ganz so schlimm war es nicht, aber der Weg wollte in der Tat nicht enden und ich sehnte mir die nächste Wassertränke herbei und vor allem ein Enden dieser elenden Stufen. Ich wollte nicht weiter runter!

Bild von der Streckenbesichtigung einige Tage vor dem Lauf

Was das Knie anbelangt, hatten die Blasen an den Füßen den enormen Vorteil, dass ich mir vermutlich bei höherer möglicher Laufgeschwindigkeit das Knie schon dort richtig geschrottet hätte. So wurde es bis Sans Souci nur leicht angeknockt.
Dann endlich kam er, der Ort Sans Souci. Die ersten Leute. Wieder wurde man angefeuert. Bon courage, bon Courage! Noch waren es einige Meter bis zur Schule. Aber jetzt war das Ende in Sicht. Die Straße wurde eben. Endlich nicht mehr runter. Leute auf der Straße, die einen anfeuerten. Da kann man nur wieder in den Laufschritt verfallen. Und dann endlich der VP. Trinken, trinken, trinken! Und das absolute highlight waren Pfannkuchen. Die hatten dort wirklich Pfannkuchen, also Crepe meine ich natürlich. Ich muß mächtig verhungert ausgesehen haben, oder lag es daran, dass ich mich wie ein Schneekönig über die Crepe freute und das auch kundtat? Auf jeden Fall bekam ich drei Stück. Alle, die nach mir kamen erhielten jeder nur einen – zum Probieren. 😉 Lecker war das! Die Chefin vom VP fragte mich, ob es mir gut ginge und weiß ich was nicht noch. Irgendwann fragte sie auch wo ich herkomme. Und auf die Antwort kam wieder ganz lustig ein „Na dann können wir doch auch in Deutsch reden.“ Na gut. Dann haben wir uns eben ein wenig in Deutsch unterhalten.
So erfuhr ich aus allererster Quelle, dass Iker Karrera, der Sieger des Zugspitz-Ultratrails 2011 an Position drei liegend in La Possession 2h Pause machen mußte, weil er völlig erschöpft war und dann auch dort das Rennen beendete. Ich denke, die Bedingungen der ersten 15h bei Regen waren hart. Und die Jungs sind ja durch den ganzen Mafat bei diesem sch… Wetter geheizt. Und von Sans Souci sind es noch einmal nicht zu unterschätzende 40km!
Leider mußte ich auch dort erfahren, dass ein Läufer abgestürzt ist und dabei zu Tode kam. Sehr, sehr traurig! Dort hieß es noch es wäre ein Deutscher gewesen. Ich bin vom Essensstand weg dann gleich erst mal zur Zeitnahme und fragte wo Andreas gerade ist. Als die mir mitteilten er wäre gerade Roche Plate durch, war ich zu mindest erst einmal diesbezüglich beruhigt. Später las ich, es wäre ein Läufer aus Marseille gewesen, der schon einmal die Diagonale erfolgreich beendete. Dann kann man zumindest annehmen er wußte was er tat und es war ein tragischer Unfall. Für die Familie macht es dies allerdings auch nicht besser.
Von der Zeitnahme machte ich mich dann auch gleich auf die paar km bis zum nächsten VP. Da war wieder eine offizielle Fußversorgungsstation! ;-)) Während alle um mich rum gingen, bin ich förmlich dahin geflogen – gefühlt. In Realität wird es ne 7er pace gewesen sein. Aber ich war immerhin schneller, als die anderen. Das hat doch was, das baut auf.
Am VP km136 stand der nächste Beutel bereit. Also kurz Klamotten und damit frische Schuhe und Socken geholt und ab zur Fußversorgung. Die Mädels haben ihren Job wieder perfekt gemacht. Alles was so dazu gekommen war, wurde aufgestochen, desinfiziert und getapet. Neue Socken an, Beutel wegbringen, noch fix was anständiges zu Futtern in Form von Reis und gegrilltem Hühnchen geholt und eingeworfen, Trinkblase aufgefüllt und los ging es auf den bekannten Weg nach La Possession. Die Verweildauer im VP wird sicher aufgrund der Fußversorgung locker ne halbe Stunde gedauert haben. Aber Zeit war eh völlig wurscht. Ich würde es eh nicht mehr schaffen im Hellen bis St. Dennis zu kommen. Laufen konnte ich nun wieder! Das hatte doch schon mal was. Und Streckenkenntnis hatte ich auch. So wußte ich nun genau wie weit es hoch geht und kannte das hinter St. Therese folgende Auf und Ab mit Urwaldstrecken und laufbaren Passagen. Hier habe ich so einige eingesammelt. Runterzu war kurz genug, damit sie mir nicht zu weit weg liefen und in der Ebene und vor allem hochzu war ich fix. Das hat Spaß gemacht! Nicht ganz so geil waren dann die eigentlich leichten Meter runter nach La Possession. Da war ich wieder langsam. Aber irgendwann waren die dann auch überstanden. So wie ich wieder in der Ebene unterwegs war, wurde wieder gelaufen. Am VP noch kurz ne Cola und nen Müsliriegel eingeworfen und dann ging es schon weiter. Nun noch 20km, nur noch 20km, so möchte man meinen. Diese 20km bedeuten aber noch einmal ordentlich Höhenmeter hoch wie runter und mit der Chemin des Anglais ein durchaus schwierig zu laufendes Gelände. Das sind 5h sicher für einzuplanen. So relativiert sich der immer gehende 10er doch mächtig. Aber ich wußte das. Damit war es nur halb so wild.
Kurz nach dem VP, am Ortsausgang von La Possession standen Silke und Marion.
Das letzte mal hatte ich sie gesehen, als wir aufbrachen zu diesem großen Abenteuer. Es war schön sie zu sehen! Und beim nächsten Mal würde ich sie in St. Dennis sehen! Wie geil ist das denn? Dort gab ich Silke meine Stirnlampe. Sie würde sie Andreas geben, da er definitiv noch einiges im Dunkeln unterwegs sein würde. Sie gab mir meine alte Tikka. Es war kurz nach 16Uhr. Ich hatte also noch 2 ½ h Zeit bis es dunkel wird. Noch kurz nen Trinkjogurt eingepfiffen, einen zweiten packte ich in den Rucksack. Das sollte etwas Verpflegung für unterwegs sein und schon „stürmte“ ich in Richtung Chemin des Anglais.

Hoch ging es wieder im Stechschritt.

Alles und jeden lies ich hinter mir. Es machte Spaß, ich hatte Kraft, es lief. Der 240Hm-Anstieg war ruckzuck geschafft und in der Ebene wurde ich wieder ruhiger. Schalk, nicht übermütig werden. Es ist noch ein Stück! Grausam für die Füße war noch einmal der steile Abstieg nach Grande Chaloupe. Hier wurde ich dann doch ab und an gefragt, ob es mir gut ginge. Muß wohl ganz schön getänzelt und geschlichen sein. ;-( Mit intakten Füßen kann man diese fünf Serpentinen der Steinstraße durchaus gut laufen. Man springt einfach von Stein zu Stein. Aber so war es doch etwas ätzend. Egal. Nun ist es vielleicht noch etwas lang, aber nicht mehr weit! Den Anstieg ebenfalls noch auf dieser Straße, nun wieder mit besserem Pflaster, von Grande Chaloupe nach St.-Bernardt flog ich wieder förmlich hoch. Das hat einen heiden Spaß gemacht. Ich hatte einen guten Rhythmus und stürmte an allen vorbei. Es ist der letzte Anstieg. Runter sind wieder alle schneller. Also gib hier noch mal was drin steckt! Und es steckte! ;-)) Ein Raider kam mit mir mit. Da war ich allerdings schon auf der Hälfte des Anstiegs, als er mit einstieg. Und so flogen wir im Zweierteam an allen vorbei. Kommentare, die man sich hinter uns zurief habe ich zwar nicht verstanden, aber Balsam für die Seele war es doch noch (wenn auch nur ein paar km) einen auspacken zu können und noch mal losstiefeln zu können.
In St.-Bernardt war dann aber irgendwie der Kopf im Ziel-Modus – Ich will jetzt nicht mehr! Die restlichen km nach Colorado lief ich noch, aber irgendwie war dann die Kraft raus. Vielleicht hätte ich doch nicht so viel Pulver im Anstieg verschießen sollen. Andererseits limitiert die Bergabpassagen nicht die Kraft. Also ist das auch egal.
Es wurde finster. Also Stirnlampe auf. *räusper* Funzel auf. Hilfe, war das ein Licht. Und damit sollte ich den letzten Abstieg meistern? Das kann ja heiter werden. Aber erst mal ging es noch nach Colorado hoch. Auf dem Weg dahin machten die Streckenposten schon etwas Zinnober.
„Sie laufen das erste mal hier?“
„Ja.“
„Also, es geht dort vorn rechts in einen kleinen Pfad etwa 3km immer steil bergan. Dort angekommen in Colorado beginnt dann ein 7km langer schmaler Trail nach unten ins Stadion. Viel Glück und einen wunderschönen Abend wünsch ich.“
Das ging mir auf den Zeiger. Die letzten 160km hat mir auch keiner viel Glück gewünscht und den Weg erklärt. Wieso fangen die dann jetzt damit an? Hauptsache die Strecke ist vernünftig markiert, dass ich mit meiner Funzel ne Chance habe.
Gehört habe ich schon genug von den legendären letzten 5km. Da kann man noch mal richtig Zeit verbringen, weil der Trail so schwierig sein soll. Na Prost Mahlzeit. Mir reicht das Abwärtslaufen schon. Das wird lustig genug. Kurz gesagt. Mir ging noch mal die Muffe. Und noch mal 10km hatte ich nicht auf dem Schirm. Das war so nicht geplant. Andererseits müssen auch diese km irgendwann zu Ende sein.
In Colorado angekommen verschnaufte ich kurz am VP. Die ganze Atmosphäre war nicht mehr wie Wettkampf. Die Ersttäter vom Trail Burbon wurden dort hin mit nem Bus gefahren – so meinte jedenfalls ein Streckenposten – und liefen mit Guide die Strecke nach unten. Von oben kamen ab und an mal ein paar „Verrückte“ angeschossen, die schnell da runter wollten. Ich bin in aller Ruhe mit den anderen mit. Zum einen hatte ich damit ne Orientierung vom Licht her und zum anderen tat mittlerweile wieder jeder falsche Schritt Hölle weh. Es bildete sich eine immer länger werdende Schlange an Läufern in dem Trail bergab. Technisch schwierig war der nicht wirklich. Ich würde ihn nicht einmal als Klettersteig einsortieren, wie den letzten oberen Abstieg beim Zugspitz-Ultratrail. Ein paar höhere Tritte waren wieder bei. Aber sonst gings eben nur einfach diese elenden keine Ahnung wie viele Hm runter. Eine Kehre, noch ne Kehre, dann blieb man auf der Höhe und noch ne Kehre und man kam und kam einfach nicht weiter runter. ICH WILL JETZT EINFACH NUR NOCH DA RUNTER! Man sah das Stadion längst und schlängelte sich endlos an diesem dämlichen Berg entlang. Runter! Runter! Ich will nicht mehr! Am Ende dieser Schlange bildete sich eine kleine Leidensgemeinschaft. Bei nem falschen Tritt konnte ich manchmal ein kurzes Aufstöhnen nicht unterdrücken. Hinter mir lief ein Mädel. Ich fragte, ob sie vorbei wolle, ich kann nicht mehr so schnell. „Nöönöö.“ War die Antwort. Sie kann auch nicht schneller. Als Erklärung für diese Langsamkeit führte ich die Blasen an den Zehen ins Feld. ‚Oh ja, das könne sie gut nachvollziehen.‘ war die Antwort. Ihr ging es exakt genauso. Jeder Auftritt, wenn man grad ne Blase erwischt tut weh. Nein, schneller geht nicht. Das reicht völlig und einfach nur noch ankommen! Und mal trat sie auf ne Blase und mal ich. Das war schon irgendwie wieder so komisch, dass wir lachen mußten.
Janz langsam schraubten wir uns nach unten. Das Stadion kam näher und näher, die Straße war erreicht. Leute über Leute standen hier und feuerten einen an. Jetzt noch über die Straße, zum Stadion, ins Stadion hinein. Hier war irgendwie so ein wenig Chaos, da Zuschauer und Läufer sich mehr oder weniger den Platz teilten. Mancher Läufer wußte nicht wo er lang müsse. Nicht immer wurde der Weg gewiesen. Ich wußte den Weg und so ging es auf die letzten 150m dieses verrückten Rittes. Es war geschafft! Silke und Marion standen an Rand. Noch einmal um die Kurve und dann war es endgültig vorbei!
Schluß! Aus! Vorbei! Ziel! Ende!

Erst hier realisierte ich, dass von Colorado doch noch einmal die Zeit genommen wurde. Andererseits habe ich unterwegs auf den 170km so viel Zeit vertrödelt, dass die 10min, die ich vielleicht hätte schneller sein können, den Kohl auch nicht mehr fett machten. Die letzte Nacht im Marfat und weit bis nach km121 war für mich eine große Wanderung. Das war kein Wettkampf mehr. Der hatte bei km72 aufgehört. Ab da war es Wandern. Das kotzte mich an. Ich war gekommen, um zu laufen und über diese vielen Wanderkilometer setzte sich der Frust ob dieser 100km-Wanderung fest. Ich fühlte mich nicht auf diesem großen 170km-Lauf. Erst in La Possession, wo die Leute alle Läufer wie Helden feierten und anfeuerten – wo man doch noch lange nicht im Ziel war! – Erst da kam ein bisschen das Gefühl zurück bei einem großen schweren Lauf dabei gewesen zu sein und diesen erfolgreich beendet zu haben. Oben nach Colorado kam die „Wanderung“ wieder durch. Insofern war der Zieleinlauf etwas zwiespältig. Ich hatte es geschafft, aber eben irgendwie Zweigeteilt. Es war nicht EIN Wettkampf, es war in Summe nicht DER Wettkampf. Ich konnte über weite Strecken gar nicht mehr an meine Grenzen gehen, war trivial bescheuert gehandicapt. Gefühlt war ich einer der Letzten, die ins Ziel kamen. Da waren mit mir nicht mehr viele auf der Diagonale unterwegs. Alles was einigermaßen laufen konnte, mußte längst im Ziel sein. Schließlich bin ich doch nur noch gewandert und habe viel zu lange Pausen an den VPs gemacht.
Tja, so kann man sich irren. Von 2752 gemeldeten Läufern kamen 1363 ins Ziel. Der Letzte erreichte nach 66h22min das Ziel. Mit 47h32min war ich Gesamt 244. Bis 1363 fehlten da doch noch ne ganze Menge.
Mittlerweile bin ich doch wieder etwas auf dem Boden der Tatsachen angekommen.
Ja, ich habe doch ernsthaft diese doddal verrückten 170km mit irre tollen Wegen, einer super Stimmung am Rand bei den Zuschauern und elendig vielen Metern hoch wie runter nach zwei erfolglosen Aufgabeversuchen geschafft!
Es war ein doddal verrückter Lauf!
Aber Ultraläufe sind wohl immer so – unberechenbar.
😉
PS: Nach dem Zieleinlauf hieß es warten. Erst mal bis die Mädels was zu futtern organisiert hatten. Dann Duschen und dann mußte doch irgendwann auch Andreas kommen. Etwas doof war, dass wir Klamotten für den Zieleinlauf um die Mittagszeit eingepackt hatten. Es war mittlerweile aber nicht mehr Mittag. Vor allem der Wind, der in das Zelt reinzog, in dem ich mich verkrochen hatte, war kalt. Im Ziel fällt die Anspannung von einem ab, dann kalt, müde, …

Andreas seinen Zieleinlauf verschlief ich. Wäre ihm die Lampe nicht ausgefallen, hätte er bestimmt einen richtig guten Lauf hingelegt. Immerhin mußte er 7h in Sentier Scout verharren und auf Licht warten.
Trotzdem waren wir wohl beide geschafft, aber glücklich diese Verrückte Diagonale geschafft zu haben.

„J’AI SURVÉCU“ – „Ich habe es überlebt“ steht auf dem T-Shirt und ich habe es, dieses Shirt.

Atemberaubend, Fordernd und Spektakulär – neue Erfahrungen auf dem Berliner Höhenweg

Wettkampfbericht vom Mayrhofen Ultrax Z101

Es ist eine halbe Stunde vor Mitternacht. Ich laufe durch das nächtliche Mayrhofen. Ein paar Leute sitzen noch draußen und klatschen als ich vorbeilaufe. Toll! Nach 29:32h, kurz vor Zielschluß und als Vorletzter laufe ich ins Ziel. „Hey, super Leistung!“ sagen mir einige und ich weiß gar nicht wirklich was ich antworten soll. Ich bin doddal zufrieden mit meinem Lauf, hadere so überhaupt gar nicht mit mir.
Nur mir der „super Leistung“ konnte ich da erst mal nicht so viel Anfangen.
Aber vielleicht fange ich doch vorn an und etwas später fällt die Einordnung dann einfacher.
Aber, wo ist eigentlich vorn? Ist vorn bei meiner ersten Tour mit Andreas und Jan, als wir die Runde des Berliner Höhenwegs das erste Mal in drei Etappen laufen wollten? War das 2011? Dann müßte man auch die späteren Touren immer mit lieben Freunden auf der Runde mit einbeziehen. Vier Anläufe brauchte es, bis ich das erste Mal die Runde komplett in einem Zug, aber eben auch in vier Etappen gelaufen bin. Beim ersten Mal reisten wir erst 17Uhr in Mayrhofen an, liefen hoch zur Carl-von-Edel-Hütte und starteten 5Uhr von dort, um bis zur Berliner Hütte zu laufen. Vielleicht war die Versorgung auf dem ersten Abschnitt zur Kassler Hütte mit vier trockenen Stullen, die wir uns zu dritt teilen nicht so super optimal. Mein Freund Jan hatte jedenfalls auf dem folgenden Abschnitt zur Greizer Hütte massiv Probleme mit Laufen. Trotz Frühstück auf der Kassler Hütte ging da mehr oder weniger gar nichts. Kurz vor der Greizer Hütte erreichte uns dann ein Gewitter, das auch nicht soo schnell abzog. Damit buchten wir uns kurz vor 14uhr dort ein. Bis zur Berliner Hütte liefen wir am nächsten Tag weiter. Hälfte der Runde.
Beim zweiten Mal starteten wir in Finkenberg. Gleich am ersten Tag auf dem Weg zum Finkenberghaus zog sich Andreas einen Muskelfaserriß zu. Wir kamen noch bis zum Friesenberghaus und liefen am nächsten Tag ins Tal ab. Weiterlaufen war nicht denkbar.
Dann lief ich mit Andreas allein ab Finkenberg los. Erster Tag bis Furtschagl, zweiter Tag übers Schönbichler Horn bis Kassler Hütte. Kurz vor der Kassler Hütte wartete ich auf einem Stein stehend kurz auf Andreas, verlor im Stehen irgendwie das Gleichgewicht und kippte in verblocktem Hanggelände talwärts. Rückenprellung und am nächsten Tag das Ablaufen nach Mayrhofen, allerdings den Talweg und nicht oben lang den Siebenschneidenweg.
Erst beim vierten Anlauf kamen wir komplett rum – wobei auch da wieder etwas war. Das Schönbichler Horn war wegen Schlechtwetter nicht passierbar, sodass wir von Furtschagl wieder zum Schlegeisstausee abstiegen und vom Tal aus zur Berliner Hütte weiter liefen.
Streng genommen war ich schon x-Mal auf dem Berliner Höhenweg unterwegs, kenne alle Abschnitte, alle Hütten dieser Runde – bin aber noch nie in einem Zug komplett die vollständige Runde gelaufen. Irgendwas war immer.

Oder ist vorn viel später, nämlich diesen August? Wir waren bei Freunden zum Geburtstag. Lauffreunde. Was kommt da für Besuch und worüber unterhält man sich? Genau!
Im Grunde war es der Klassiker und eigentlich war es auch schon durch: Simone fragte mich was ich so dieses Jahr für Läufe gemacht habe und was noch ansteht. Ich erzählte und für das Jahr war ich ja mit dem Großglockner-Ultratrail durch. Nein, nicht durch. Ich fragte, was sie so noch vor hatte: Mayrhofen Ultraxs, 50km.
„Schön! Mayrhofen ist toll zum Laufen, aber für 50km fahre ich nicht nach Mayrhofen!“
Thema durch. Hmm, nee!
„Es gibt da auch noch längere Läufe.“
Telefon vor und nach Mayrhofen Ultrax gegoogelt und gleich oben auf der Seite die Basisdaten:
101km, 8800hm.
Wow! Das klingt ja mal geil! Dann der Blick aufs Höhenprofil:

Und ich blicke so auf die markierten Verpflegungspunkte, lese vor „Gamshütte, Friesenberghaus, Olperer Hütte, Furtschagl, Berliner Hütte, Greizer Hütte, Kassler Hütte, Carl-von-Edel-Hütte.“
„Simone, das ist der komplette Berliner Höhenweg. Da geht es einmal komplett rum.“ Km sind bissl viel und beim Blick auf die Strecke sehe ich auch gleich den kleinen Haken, der von der Olperer Hütte runter zum Schlegeisstausee geschlagen wird. Wann ist der Lauf? Habe ich da Zeit? Wie komme ich da hin?
Bereits am nächsten Tag sind alle Fragen beantwortet, die Zugfahrt hin, ein Quartier und der Lauf gebucht, ein Gutschein mit Bahnpunkten für die Rückfahrt bestellt.

Vielleicht ist es für den Leser/die Leserin, die nicht so vertraut mit dem Berliner Höhenweg sind gut, ab und an einen Blick auf die folgende Übersicht zu werfen:

Quelle: https://dav-berlin.de/wp-content/uploads/Berliner-Hoehenweg3-2011.pdf
Im PDF sind auch die einzelnen Etappen und damit die (fast) gesamte Strecke des Mayrhofen Ultraxs Z 101 inkl. der Höhenmeter und Gehzeiten auf dem Berliner Höhenweg aufgeführt. Auch die Ergänzung ab Olperer Hütte zum Pfitscher Joch und durch den Zamser Grund zum Stausee ist zu sehen.

Am 08.09.2023 um 18Uhr ist Start in Mayrhofen. Ich nehme um 3:15Uhr von daheim den Nachtbus, fahre weiter mit der ersten S-Bahn morgens ab Köpenick zum Hauptbahnhof und nehme ab da um 4:30Uhr den ersten Zug nach München. Weiter geht es über Jenbach nach Mayrhofen. Ankunft 14:30Uhr. Ich versuche noch telefonisch die Vermieterin zu erreichen, wo ich am Folgetag eingebucht bin, ob ich noch meine Tasche abgeben kann. Nee, erreiche ich nicht. Dann gebe ich die bei der Orga ab. Alles gut.

Startnummernabholung ist in einem Sportladen. Perfekt! Simone gibt mir auf meine Bemerkung hin, dass ich mich eigentlich nur noch umziehen muß, den Tip eine der Umkleidekabinen zu nehmen. Stimmt. Warum kompliziert, wenn’s einfach geht. Toll war noch Harald, Nina und weitere Leutchen vom Mauerweg getroffen zu haben. Runde Ratschen und dann geh ich aber Richtung Startbereich. Ich muß noch Flaschen auffüllen, meine Tasche fertigmachen, das Dropbag für den Schlegeisstausee abgeben und Bock auf Streß hab ich so gar nicht. Nur die Ruhe! Und aus selbiger bringt mich auch nicht beim Durchforsten des Starterbeutels, dass da gar nicht meine Startnummer drin ist und ich noch mal zur Startnummernausgabe zurück muß. 😉 Kurze Wege, genug Zeit, alles gut!
Halbe Stunde vor Start sitze ich dann noch mit Simone und Männel, ratsche ne Runde und warte, dass es los geht.

Fünf vor sechs in die Startaufstellung. Ein paar Leutchen stehen da. Im Nachhinein sehe ich, dass sich 52 Starter auf den Weg gemacht haben. Kurz vor dem Start treffe ich in der Startaufstellung auch noch Alois Wimmer. Kurzer Schnack. Uhr an und los geht’s.

Die ersten Meter geht es flach auf Asphalt durch den Ort und dann weiter leicht ansteigend Richtung Finkenberg. Wie schon bei den letzten Wettkämpfen lasse ich die ersten leicht ziehen und folge dann mehr oder weniger in der ersten „Verfolgergruppe“, um mein Dembo zu finden, in den Lauf zu kommen. Die Pace die die Uhr anzeigt erzeugt innerliches Kopfschütteln 4:40min/km auf den ersten drei km. Nicht drüber nachdenken! Aber dann ging es auf und wurde ruhiger. Im Einstieg in den Trail waren sicher gut 20Leutchen an mir vorbei. So schlecht – also langsam – war das Dembo vielleicht gar nicht. Wer weiß. Die knapp 6km bis zum Einstieg in den Trail oberhalb von Finkenberg waren nach ca. 30min erledigt. Jetzt holte ich die Stöcke raus und nun ging es zügig, aber nicht überstürzt hoch zur Gamshütte. Ich hatte sehr schnell meinen Rhythmus gefunden. Bei mir lief es. Aber mei, ballerten da manche in den Anstieg rein! Nein, nicht meine Baustelle! Ich wußte um die Strecke und auch so ein wenig um die Trainingsfaulheit bezogen auf die Basisläufe daheim. Zügig hoch, aber bezogen auf die Kraft nur die Ruhe. „1:50h“ meinte ein Läufer an der Gamshütte, als wir oben ankamen und weiter: „Genau mein Plan!“ Und da fielen mir wieder alte Zwischenzeiten von vergangenen Touren auf dem Höhenweg ein. Stimmt! 1:50h bis 2h hatte ich da auch schon mal gebraucht. Aber nein, der Vergleich funktioniert nicht. Die Zeit ging ja immer ab Einstieg in den Trail. Aber egal, paßt! Kurz Suppe trinken, Wasser auffüllen und weiter. Jup, vom Laufgefühl her alles nach Plan – bezüglich Zeit hatte ich keinen Plan. Dafür ist mit der Berliner Höhenweg viel zu technisch, als dass ich meine eine Laufzeit für diesen Wettkampf hochrechnen zu können.

Bild von Nate: Sonnenuntergang kurz nach der Gamshütte

Schon beim Hochgehen zur Gamshütte bemerkte ich, dass es doch deutlich später im Zillertal dunkel wird, als am Vortag noch in Berlin. So kam ich auch nach der Gamshütte noch ein Stück im Tageslicht den schmalen Wiesenpfad entlang. Klar war, dass die Laufanteile ab nun nicht nur in den ansteigenden Passagen gegen Null gehen werden. Auch gerade wurde es schwieriger ins Laufen zu kommen. So wunderschön die Trails auf dem Berliner Höhenweg sind, so herrlich es ist keine Forstwege, sondern wirklich technische Trails zu haben, so ruhig und konzentriert sollte man auch unterwegs sein.
Relativ dicht nach der Gamshütte liefen doch die eine oder der andere noch an mir vorbei. Hörte ich wen kommen, fragte ich gleich, ob sie vorbei wollten. Ich wollte in Ruhe meinen Stiefel laufen und nicht ständig ein Schnaufen im Nacken haben. Das streßt nur unnötig und verleitet ggf. auch sich nicht mehr nur auf sich und sein Dembo zu konzentrieren. Es wurde dunkel. Stirnlampe an. Ich genoß den Weg! Kannte ich zwar nicht jeden Anstieg im Detail, so wußte ich doch an markanten Punkten immer wieder gleich wo ich war und sah auch vor dem geistigen Auge das Tal und die gegenüberliegenden Berge vor mir, wußte weitgehend was als nächstes kommen würde. Während ich so in meinem Trott lief, kam jemand janz langsam von hinten ran. Er wollte nicht vorbei. Ok, dann nicht! Erst war es ruhig, dann unterhielten wir uns ab und an. Es war ein lustiges Gemisch in Deutsch und Englisch – einer der wenigen Amerikaner, die ich bei Laufwettkämpfen getroffen habe, die sich mit mir Deutsch unterhalten konnten und wollten. Nate, ein cooler Typ! Unser Dembo paßte wohl irgendwie. Liefen wir dort einfach so zufällig zusammen, sollten wir doch fast den gesamten Rest des Laufes immer wieder zusammen laufen. Jedenfalls bis zur Kassler Hütte war das auch ok. Später wurde ich deutlich zu langsam. Aber dazu später.
Wenn ich auf Hüttentour oder auch auf Lauftour in den Bergen unterwegs bin, schaue ich gern auf die Gehzeiten, die für Wanderer angegeben sind. In der Regel halbiere ich die; selten laufe ich schneller als die Hälfte. Ich hatte mir die Gehzeiten sicher nicht noch mal vor dem Lauf angesehen. Aber einige hatte ich doch noch von den letzten Malen auf dem Höhenweg im Kopf. Gamshütte-Friesenberghaus stand da mit 8h. Also würden wir um 4h bzw. knapp 6h gesamt laufen. Irgendwann fragte Nate wie weit es noch bis zum Friesenberghaus wäre. Jup, die Wasservorräte gingen auch bei mir langsam zur Neige. Weiter vorn hätte man noch gut an Bächen auffüllen können. Nate, machten wir das nicht auch da schon? Im letzten Drittel dieses Abschnittes gibt es aber nicht mehr so viel Wasser. Eigentlich sollte es nicht mehr so weit sein. Allerdings waren es ab der Pitzalpe drei Notabstiege, die man passieren müsse und wir waren erst an einem vorbei. Dann kam der zweite und ich wußte, dass es ab dem dritten dann vielleicht noch mal 20min bis ne halbe Stunde sind. Und wir liefen und liefen und vom Gelände meinte ich, dass wir eigentlich bereits in der Nähe der Hütte sein müssen – allein der dritte Notabstieg war noch nicht da. Aber dann sahen wir doch die Lichter vom Friesenberghaus. Wir hatten einfach den Wegweiser des letzten Notabstiegs übersehen.
Nach 5:31h gesamt bzw. nach 3:43h ab Gamshütte waren wir am Friesenberghaus. Suppe trinken, Wasser fassen. Weiter.
Bis zur Olperer Hütte ist es nicht weit. Hier lief meist Nate vor. Aber auch hier konnte ich ganz gut den Weg „vorgeben“, Abzweige ankündigen. Im Stockfinstern dort lang laufen/gehen und ziemlich genau wissen, wie die Berge da aussehen, macht schon auch Spaß!

Bild von Nate: Instagram-Hotspot ohne Menschen! Kurz vor der Olperer Hütte

Eine weitere Stunde bis Olperer Hütte. 6:38h gesamt. Auch hier hieß es wieder Suppe trinken und Wasser auffüllen. Langsam ging es allerdings los, dass ich das mitgenommene Energiepulver, gemischt in Wasser nicht mehr mochte. Es war zwar ganz gut verträglich mit dem Magen, aber die Süße – obwohl nicht sehr stark – sie ging so gar nicht mehr. Hier füllte ich – glaube ich – das letzte Mal eine Flasche mit dem Energiezeugs. Es lief noch. Es war noch alles ok. Aber ich hätte da bereits über Alternativen nachdenken müssen! Aber ja, es lief noch! Ich war im Fluß, Nate war dabei. Wir liefen zusammen, ratschten und die Meter gingen weg, die Zeit flog dahin.
Die Meter gingen dahin? Echt jetzt? Naja! Ab Olperer Hütte waren wir auf dem Teil des Weges, der vom Berliner Höhenweg abweicht, um die 100km voll zu bekommen. Dieses Stück hatte ich mir nicht einmal km-mäßig angesehen; hatte also keine Ahnung wie weit es bis zum Pfitscher Joch und dann zum Schlegeisstausee gehen würde, geschweige denn hatte ich ne Ahnung über den technischen Anspruch der Strecke. Also! Der Weg bis zum Pfitscher Joch ist genauso technisch und ein stetiges Auf und Ab mit Tendenz wohl mehr ab – was an mir vorbei ging – wie im Grunde der gesamte Berliner Höhenweg. Nein, da hat sich genauso wenig jemand die Mühe gemacht eine Bergautobahn zu bauen wie sonst auch nicht auf der Strecke. Dies ist generell wirklich klasse. Manchmal, also ganz selten, im Grunde fast nie oder auch gar nicht kommen während eines Laufes aber doch mal Gedanken auf, dass es sich bei schlechter Vorbereitung auf so ner Autobahn besser liefe. Aber der Leser bemerkt den Fehler: nicht die Wege, sondern schlechte Vorbereitung. Die Wege sind so schon sehr, sehr geil! Nur sollte man ausreichend vorbereitet sein! Dann hat man auch Spaß, wenn es schwierig wird. Wirklich schwierig wurde es für mich anscheinend nie. Jedenfalls hatte ich irgendwie immer Spaß unterwegs! Tatsächlich!
Höhe Pfitscher Joch überholte uns die nächste Truppe. Wir sahen ihre Lichter schon länger und ein, zwei Verhauer von uns beiden brachten die Leutchen auch immer näher. Pfitscher Joch die also vorbei. Nate hinterher und während ich mir kurz im Gehen nen Gel nachschob, hatte ich den Anschluß verloren. Langsam trabte ich hinterher. Der erste Energiemangel deutete sich an. Nein, da hatte ich das nicht so auf dem Zettel. War grad mal bissl schlechter. „Mußte dich jetzt mal zusammennehmen und hinterher laufen!“ sagte ich mir. Jup, lief hinterher – auch wenn deren Lampen lange außer Sicht waren. Etwas nervig war das für den Kopf, weil ich keine Ahnung hatte, wie weit es bis Schlegeisstausee und damit zum Dropbag und VP wäre. Gefühlt ging es endlos einen steinigen Fahrweg runter. Mit etwas Willen konnte man den auch super gut laufen. Ja, genau: Willen! Aber da waren mir gerade sechs Leute weggelaufen! Also die waren wirklich weggelaufen. Wenn das keine Motivation ist! Im Nachgang sehe ich, dass die 5min vor mir am VP waren. Puh!

Und vor allem war das Motivation am VP! Da waren nämlich noch alle sechs und wechselten Klamotten, Schuhe, Nate war wohl mal auf Tö. Ich wußte, dass es nicht weit bis Furtschagl war, man nur den Stausee entlang laufen mußte und dann halt hoch den gut gehbaren Anstieg zur Hütte. Ich nahm zwei Suppen, füllte Wasser auf, nahm aus dem Dropbag Gels und Energiepulver, gab den Dropbag wieder ab und weg war ich. Jetzt lief ich allein vor den sechs anderen! 😉
Ja, etwas irritierte mich schon, dass so viele noch um mich rum waren. Normal bin ich nach 10h im Rennen schon weitgehend allein unterwegs. Sicher bin ich doch noch langsamer unterwegs, als sonst. Vielleicht ist es einfach dieses neue Schnell. Wer weiß das schon.

Bild von Nate: Fahrweg am Schlegeisstausee in Richtung Furtschagl

Ich ging jedenfalls meinen Weg. Unten am Stausee waren die Stirnlampen doch noch weiter weg. Je höher ich kam, desto näher kamen sie und als ich oben an der Hütte ankam, war gar nicht mehr viel Luft. Ich denke, in Furtschagl waren waren jedenfalls alle wieder zusammen in der Hütte. Nate war der erste, der oben eintrudelte, dann kam ein Mädel und dann der Rest der Sechsertruppe.
Auch hier zog ich wieder fix Suppe, füllte Wasser auf, zog die Wetterjacke an und weiter ging es. Nate sagte ich noch, dass er eh auf dem Weg runter vom Schönbichler Horn ranlaufen würde. Wir sehen uns wieder!
Mit mir ging das Mädel raus und etwas später gesellte sich noch einer zu uns. Ich ging vorweg, kommentierte den Aufstieg hinsichtlich Wegführung die kommt und den Steigungen. Es war noch dunkel. Da sah man das noch nicht so gut. Ich wußte es. 😉 Der Aufstieg zum Schönbichler Horn zog sich noch mal. Ich ging sachte und doch war es anstrengend. Zwischendrin war das Mädel mal weg, aber kurz vor dem Schönbichler Horn war sie nicht nur wieder ran, sondern auch vorbei. Reschbeggd!
Ich lief mir Daniel zusammen nach oben. Auch er wollte nicht vorbei. und auch wir fanden uns auf dem Weg. Daniel lief hier seinen ersten 100er. Während ich das schreibe, fällt mir auf, dass er es zwar erzählte, aber ich so überhaupt nicht diesen Schneid den ersten 100er ausgerechnet auf dem Berliner Höhenweg zu machen, ausreichend gewürdigt hatte! Alter! Erster 100er und dann so was! Wow! Ich denke jeder weitere 100er von ihm wird schneller sein! 😉
Die Hoffnung nach dem anstrengenden Aufstieg dann schneller ablaufen zu können, nahm ich ihm schon im Aufstieg: Runter geht es erst mal mit Seilversicherung… 😉

Schönbichler Horn um 6:11Uhr am Samstag, 09.09.2023

Oben am Schönbichler Horn waren wir zu einer schon recht guten Zeit. Es war 6:11Uhr, 12min vor Sonnenaufgang. Die Bergketten Richtung Osten, in die Richtung also in die wir liefen, sahen herrlich aus mit diesem orangenen Kranz obenauf. Viel Zeit ließen wir uns nicht oben. Es zog schon ein wenig. Ich war froh die Jacke anzuhaben. Daniel lief mit kurzem Shirt. So unterschiedlich ist das.
Einige Tage nach dem Lauf bekomme ich Kontakt zu Nate. Er schickt mir den Link zu den Fotos, die er während des Laufes gemacht hat! Beeindruckend! Außer einem Bild auf dem Schönbichler Horn und eines an der Kassler Hütte, das ein Bergwachtler von mir machte, sind alle anderen Fotos von Nate. Nate, vielen Dank dafür!
Runterwärts lief es wieder bei mir nicht wirklich. Daniel ging es wohl ähnlich. So blieben wir zusammen und bei den anderen muß es auch nicht viel anders gewesen sein. Denn sehr zu meinem Erstaunen überholte uns niemand bis zur Berliner Hütte – und wir waren wirklich, wirklich auch für das technische Gelände nicht schnell! Aber egal.

Bild von Nate: Blick zurück zum Schönbichler Horn. Jetzt war es nicht mehr weit zur Berliner Hütte

An der Berliner war plötzlich Nate wieder ran! Schön!
Als Nate ankam, rief er gleich: „Frühstück!“ und anstatt auf ihn zu hören, zogen ich wieder nur Suppe, ich füllte Wasser auf und nach einem kurzen Stop zogen wir – nun zu Dritt – weiter. Das VP-Team wollte uns um die Hütte schicken. Aber nein, das ging nun wirklich nicht!

Natürlich gingen wir durch den Speisesaal und die Empfangshalle auf den Weg in Richtung Mörchenscharte und Greizer Hütte. Die Berliner Hütte mußte ich beiden schon kurz zeigen!
Nate und Daniel ratschten auch ganz gut. Das paßte! Dembo von uns Drein paßte ja eh. Sehr schön!
Nachdem es recht technisch ab dem Schönbichler Horn abwärts gegangen war, ging es nun recht wenig technisch bergauf. Gegen 8Uhr waren wir an der Berliner Hütte angekommen. Also waren nun doch langsam mit uns Wanderer in Richtung Greizer Hütte unterwegs, die auf der Berliner Hütte übernachtet hatten. Einer der Leute war schon auch recht lustig. Das war ein älterer „Kauz“, der mit einer Spiegelreflexkamera kurz vor dem Schwarzsee von sich ein Foto mit dem Hintergrund des Schönbichler Horns und der nebenliegenden Gletscher machen wollte. Er fragte uns, ob wir von ihm fix ein Foto machen könnten. Er hätte gleich gesehen, dass wir „die von der Fernwandertruppe“ sind. Na vielen Dank dafür! Aber ja, wie will man ihm da auf dem Berliner Höhenweg so wirklich widersprechen? Fernwandern. Jup, da ist auf dem Weg ne Menge dran!

Zur Mörchenscharte gingen wir noch gemeinsam hoch
Runterzu ging dann jeder sein Dembo. Auf der gegenüberliegenden Talseite sieht der Wissende die Greizer Hütte und ganz links am Bildrand ist die Lappenscharte, über die es weiter geht.

Daniel war abwärts klar der Schnellste von uns drein.

Auch so etwas gehörte in den Abstieg von der Mörchenscharte, wobei direkt nach der Scharte die Seilversicherungen bei Schnee und eisigem Wind viel spannender sein können. Heute war perfektes Wetter!

Unten an der Bachquerung holte mich Nate ein und oben war er dann 2min vor mir.

Dieser rote Punkt zwischen den Kühen bin ich – versucht Nate zu folgen.

Schon hier zeichnete sich ab, dass ich das schwächste Glied in dieser Truppe war. Aber wir wollten das Ding gemeinsam zu Ende bringen. Daniel ging es an der Greizer Hütte ziemlich schlecht – Kreislauf. Nate und ich zogen dort eine Kaspressknödelsuppe, um Energie zu tanken. Ihm fiel dann doch noch ein, dass das wohl eher mit dem kalten Wasser zusammenhing, mit dem er sich abgekühlt hatte. Als wir weiterzogen, ging es ihm wieder gut.
Im Nachgang sehe ich, dass wir doch ne reichliche halbe Stunde dort Pause gemacht haben. Mei, das sind Pausenzeiten von langen Ultraläufen an nem großen VP. Aber gut. Ich wußte, das wir minimum 3h bis zur Kassler Hütte brauchen würden und ja, Auftanken war ganz wichtig! Mittlerweile war es auch 11Uhr und der Planet drückte trotz der Höhe von um die 2000müNN doch schon ganz ordentlich.

Lappenscharte

Und während das Gelände bis hier her ab und an etwas verblockt und schon recht technisch war, kam ab unterhalb der Lappenscharte nun richtig viel verblocktes Gelände auf uns zu. Nate konnte so etwas ganz gut gehen. Der lief da rüber, wie auf einem asphaltierten Weg. War man direkt hinter ihm, brauchte man bloß die selben Schritte machen und war fix unterwegs. Ließ man leicht abreißen, hatte man, hatte ich es richtig schwer wieder ran zu kommen. An einer Stelle machte ich den Fehler mit drei Mädels die uns entgegen kamen und Respekt zollten, kurz zu schnacken. Ich brauchte gefühlt ne halbe Stunde bis ich wieder ran war.

Nicht immer war im Verblockten eine solche Autobahn – also eigentlich eher selten.

Mittlerweile überschlugen wir tatsächlich auch unsere Gehzeiten und schauten auf das Cut-Off. An der Greizer Hütte waren wir 2h vor Cut-Off raus. Ich wußte, dass wir die Gehzeiten der Wanderer nicht mehr halbieren würden. Bis zur Kassler Hütte standen 5h. 3h würden wir minimum benötigen. Schaut man jetzt in die Zwischenzeiten, waren wir 3:54h unterwegs. Allerdings muß man da knapp 40min für die Pause an der Greizer Hütte abziehen. Reine Gehzeit war also etwa 3:10h. Und es wurde warm und es wurde anstrengend! Ich zählte meine noch vorhandenen Gels. Es waren noch vier. Und ich schätzte bis ins Ziel noch etwa 7h wirklich anstrengender technischer Trail mit richtig viel Verblocktem. Also alle 2h ein Gel und dazwischen Durchhalten! Jup, auf kürzerer und einfacherer Distanz funktionierte das manchmal auch schon. Hier? Ich hätte es wissen müssen! Ich hätte reagieren müssen! Es gab an den VPs irgendwelche Schokoenergieriegel. Ich hätte sie an der Kassler Hütte mitnehmen sollen. Nicht eins, wie ich es tat, fünf!

Hier hat man noch von der Talseite der Lappenscharte schon mal einen guten Blick auf den Siebenschneideweg nach der Kassler Hütte. Man sieht sehr schön die einzelnen „Einschneidungen“, die man queren muß und wo man immer nur bis zum nächsten Wechsel ins nächste Kar sieht.

Kassler Hütte waren wir nach 21:30h – weit weg von einem angedachten Lauf um 24h gesamt. Wenn ich gut drauf wäre, bräuchte ich noch mindestens 6h bis ins Ziel. Und nein, ich war nicht mehr gut drauf.
Es gab es noch mal Brühe. Da gab es auch nen alkoholfreies Weizen. Und dann kamen von hinten auch schon wieder zwei andere Leutchen und wir wollten weiter.

15:39Uhr an der Kassler Hütte auf 2178müNN – jedenfalls lt. Uhr.

Nate zog jetzt. Er wollte ins Ziel. Aber! Er wollte mit uns ins Ziel! Er lief also vor. Daniel hinterher und ich als Schlußlicht sah zu einigermaßen den Anschluß zu halten.

Und ich denke, das war dann der finale Fehler, den ich machen konnte. Gefühlt eine Stunde zog ich und hielt Anschluß. Und erst als Flasche wirklich leer, erst da zog ich die Reißleine und nahm raus. Leider mußte ich da dann nicht nur etwas, sondern deutlich rausnehmen. In relativ kurzer Zeit schob ich mir zwei der letzten drei Gels rein und ich wußte, dass es noch ne Ecke bis zur Edelhütte war. Auch war mittlerweile klar, dass wir nicht nur nicht im mehr im Hellen ankommen würden. Nein, da war für mich auch nicht mehr zu viel Luft zum Zielschluß. Der Siebenschneidenweg zieht sich! Nicht umsonst ist da eine Gehzeit von 9h angegeben. Du gehst von Kar zu Kar und von Blockfeld zu Blockfeld und die Klamotten die da rumliegen und über die du rüberkraxelst werden eher immer größer als kleiner. Das ist echt so ein richtiger Motivationsweg. Nate war längst vorweg und wartete immer mal wieder auf uns. Als ich rausnahm, war Daniel noch bei mir. Aber so wie ich Kraft verlor, wurde er Stück für Stück besser und lief Meter um Meter weg. Für mich war das jetzt nicht so sehr das Problem. Ich wußte welches Dembo ich gehen konnte. Das ging ich auch. Ich wollte nur nicht, dass die beiden auf mich warteten. Leider war das einfach der Zeitpunkt sich zu trennen. Ich hatte es beiden nach der Kassler Hütte mehrfach gesagt. Und doch hörte ich immer wieder Nates pfeifen, wenn ich irgendwo um die Ecke kam und er aus weiter Entfernung mich sah. So wußte ich doch, dass er wartete. Das war das eigentlich schwere! Und es ging trotzdem einfach nicht schneller als es ging! Es war zum k… ;-( Egal. Wenigstens sah ich von hinten niemanden kommen. Obwohl, selbst wenn? Was hätte es geändert? Wir passierten Kar um Kar. Als wir eines passiert hatten, dachte ich schon, dass es das wäre. Kurz vorher hatte ich das letzte Gel gezogen. Ab jetzt muß Wasser bis zur Edelhütte reichen.

Dann kam aber wieder haufenweise Verblocktes und mit dem Blick nach vorn sah ich dann, dass erst am Ende diese Kars hinten leicht schräg nach links, also nach Westen der Pfad raus aus dem Kar und hin zur Edelhütte ginge. Das war nun endlich doch das letzte der sieben Seitentäler. In dem Verblockten lief dann auch Daniel zu. Vorher hatte er noch im letzten Sattel noch auf mich gewartet. Schnell war er weg.

Die Sonne ging langsam unter. Im richtig Hellen passierte ich noch das letzte Blockfeld und nun holte ich noch mal alles raus, was nicht mehr da war, um mit den letzten Sonnenstrahlen, sagen wir lieber dem letzten Hauch an Tageslicht ins nächste Kar, in das der Edelhütte zu kommen. Ein paar hundert Meter davor mußt ich dann doch das Licht anmachen und wie erwartet ging es dann im Finstern in den Abstieg zu Edelhütte – erst Seilversicherung und dann der übliche Trail.
Aber ja, jetzt war es fast geschafft! Edelhütte. Brühe trinken, Wasser auffüllen und runter.

D.h., ein Problem hatte ich noch. Mein Quartier wo ich die Nacht nächtigen wollte, hatte ich natürlich noch nicht bezogen und vor dem Start hatte ich die Unterkunft auch nicht telefonisch erreicht. Eigentlich wollte ich vor dem Start dort schon meine Tasche abgeben. Hmm, Es war 21:45Uhr und ich hatte noch 8km vor mir. Wenn ich im Ziel bin, ist das nicht mehr ganz so die Zeit noch in der Unterkunft anzurufen. Zweites Problem: Das Telefon war leer. Akku alle. Aber da waren zwei ganz tolle Leute am VP. Ich hatte die Frage nach der Powerbank noch gar nicht richtig ausgesprochen, das hing mein Telefon schon an einer. Blöd war jetzt nur, dass das Telefon was von SIM-Fehler meinte. Der eine vom VP fragte mich, ob er noch irgendwas für mich tun könne. Ich erzählte von meinem Problem und fragte, ob sie da mal kurz anrufen könnten und fragen, wo ich den Schlüssel zum Zimmer finden könne und schon hatte sie die Telefonnummer rausgesucht, er angerufen, meine Vermieterin sagte wo sie den Schlüssel hinlegen würde, ich wo ich das Geld platziere und dann konnte ich weiter. Sehr, sehr geile Aktion von euch beiden da am VP auf der Edelhütte! Janz lieben Dank noch mal! Hat alles genauso bestens geklappt.

Gestärkt und auch das letzte Problem gelöst, machte ich mich nun frohen Mutes auf den Abstieg. Nur noch 8km. Alles klar! Eine Stunde wird sich nicht ausgehen, aber vielleicht biste in 1,5h dann auch unten -dachte ich! Und los! Hmm! Da war einfach immer noch viel Stein auf dem Weg. Nein, da war nix mit Ballern. Abwärtsjoggen ging. Mehr aber jetzt nicht wirklich. Aber das ist sicher nur der obere Teil vom Weg. Und je weiter ich abwärts lief, desto mehr erinnerte ich mich auch wieder an den Teil des Wegs. Nein, der wurde nicht besser! Das ging bis zum Ortseingang von Mayrhofen jetzt genauso weiter!
Die ersten 4km konnte ich das auch noch einigermaßen Joggen. Aber je mehr Zeit verging und je weniger ich doch irgendwie nach unten kam, streikte nach und nach doch der Kopf und wenn der nicht mehr mag, geht es bekanntlich nicht mehr schnell vorwärts. Einen kurzen Motivationsschub gab es noch mal kurz vorm Wh. Alpenrose leuchtete mir ein grelles Licht entgegen. Ach, Bergwacht, die die Letzten noch im Blick haben möchte. Coll! Und wie ich ranlaufe, ruft doch einer von den Jungs: „Hey, du bist doch der mit dem Bier oben auf der Kassler!“ Jup! Der bin ich! 😉 Kurz geratscht. Telefonnummer gegeben und am nächsten Tag hatte ich ein paar herrliche Bilder von der Kassler Hütte und vom Sonnenaufgang heute morgen.

Unterhalb der Alpenrose wurde es dann aber doch immer schwerer noch zu joggen. Für den letzten steileren km bergab auf im Dunkeln schlecht sichtbarem Weg in einem Gelände wo auch abgeholzt wurde, oder zumindest ziemlich viel Bruch rum lag, brauchte ich um die 20min. Das war demotiviertes Wegsuchen und runtertibbeln. Ok, die letzten Drei, die noch hinter mir waren, hatten mich kurz vorher leichten Schrittes überholt. Nach mir kam keiner mehr. Bis zum Zielschluß um 24Uhr hatte ich noch eine Stunde Zeit und es waren noch 3km bis ins Ziel, das meiste davon auf Asphalt im Ort. Daheim sind um die Zeit eh alle im Bett und schlafen. Die sehen dann morgen Früh, wann du angekommen bist. Welchen Grund gibt es jetzt noch Streß zu machen? Mir fiel da echt auch nach längerem Nachdenken keiner ein – und ich hatte ja Zeit zum Nachdenken!
Auch dieser Abstieg war dann aber irgendwann zu Ende. Ich kam auch den Weg am Bach, gleich kam die Brücke über den Bach und dann geht es nur noch auf Asphalt ins Ziel. Ab der Brücke zwang ich mich auch wieder zu laufen. Hier gab es nun wirklich keinen Grund mehr zu gehen. Ich nahm an, jetzt ganz allein zu sein. Aber nein, vereinzelt saßen Leute an ihren Häusern oder an nem Kiosk auf ner Bank und ratschten noch und tranken was und applaudierten. Cool!
Ziel! Quasi. Nein. Noch nicht. Die Uhr sagt etwas von einem km bis ins Ziel. Ich laufe auf eine Kreuzung zu. Der Track auf der Uhr geht rechts und links, weil ich beim Start die Kreuzung bereits gequert habe und das Navi zeigt aber keine Abbiegung an. Ich sehe einfach auf der Uhr nicht, ob ich Links oder Rechts muß. Und gerade 30m vorher haben mir so ein paar Deppen aus ner Bar irgendwelche „lustig“dämlichen Sprüche zugerufen. Genau die will ich jetzt nicht fragen, ob rechts oder links. Ich laufe links und versuche mich zu erinnern, ob das richtig war. Da kommt mir ein Läufer mit haufenweise Fähnchen im Köcher entgegen, der Schlußläufer einer anderen Strecke. Ich frage ihn wo es lang geht. Er ist sich witzigerweise auch nicht ganz sicher, läuft mit mir ein paar Meter in meine Richtung. Aber dann drehen wir und laufen die andere Richtung und ja, das wird richtig! TOR2014, TOR2017 hab ich das auch schon gebracht im Ort noch mal suchen zu müssen bzw. leicht falsch zu laufen. Und jetzt das ganze wieder! Irgendwie hab ich da das Händchen für. 😉

Ziel! Jup, jetzt dann doch! 29:32h für diese 105km (lt.Garmin). Meine Herrn! Das ist ne Durchgangszeit beim TOR. Da läuft man aber noch ein paar mehr km und auch Höhenmeter. In der Durchschnittszeit beim TOR ist Schlafen und Essen noch mit drin.
„Hey, super Leistung!“ sagen mir einige im Ziel und ich weiß gar nicht wirklich was ich antworten soll. Gerade nach den letzten 5km, also eher den zwei letzten km im Wald weiß ich das so gar nicht. 20min für einen km bergab. „Hey, super Leistung!“ Aha. Aber ja, so richtig kann ich da mein Denken nicht artikulieren, hab das nicht so klar formuliert im Kopf wie jetzt beim Aufschreiben. Jup, den Höhenweg so zu laufen, das ist schon irgendwie ne „super Leistung“. Sechs Stunden schneller und ich hätte das mit nem fetten Grinsen sofort unterschrieben. Aber nein, sechs Stunden schneller wären nicht mal realistisch gewesen, wenn ich fünfzehn Gels mehr bei gehabt und die bis zum Schluß auch vertragen hätte. Mit ner besseren Verpflegung wäre vielleicht zwei Stunden eher drin gewesen. Doch, das wäre drin gewesen. Daniel ist hintenraus 1,5h schneller gelaufen als ich und ja mit mehr Kraft wäre das sicher auch irgendwie gegangen.
Ob Nate noch schneller gewesen wäre, kann ich nicht sagen. Gefühlt wäre er noch vor Daniel reingekommen. Aber er hat kurz vorm Ziel auf mich gewartet und ist erst ins Ziel gelaufen, als er sah, dass nicht ich der nächste bin, sondern die Drei von hinten mich noch überholt hatten. Leider habe ich weder Daniel, noch Nate nach meinem Zieleinlauf noch gesehen. Schade! Aber – klar um die Uhrzeit und nach dem Lauf. Da wartest du nicht ewig, willst Duschen und ins Bett! Hätte ich wohl ein bisschen schneller laufen sollen. 😉

Was ist mein Fazit von diesem Lauf? Super Leistung?
Wie ich eingangs schon schrieb, bin ich mit meinem Lauf prinzipiell doddal zufrieden, hadere so überhaupt gar nicht mit mir.
Die Strecke ist megageil! Wo gibt es sonst ne 100km-Runde mit so wenig Fahrweg zwischendrin? Im Grunde nur Trails. Und was für welche! Das wußte ich. Die Strecke ist ordentlich technisch! Auch das wußte ich.

Wer die Runde unter die Füße nimmt, sollte sich gut Gedanken um seine Verpflegung machen. (Anmerkung: Das ist laut Veranstalter ein Selbstversorgerlauf! Es gibt zwar Suppe und Iso und und. Aber energetisch ist das nicht wirklich ausreichend und die Verantwortung dafür liegt beim Läufer! Ganz klar.)

Wer die Runde unter die Füße nimmt, sollte in technischem Gelände hoch wie vor allem auch runter gut unterwegs sein. Die 30h Zeitlimit klingen bei einer Gehzeit des Berliner Höhenwegs von 48h sehr großzügig. Allein der technische Anspruch der Strecke fordert. Lediglich 12 Läufer sind im Bereich von 24h und noch mal 13 unter den 30h unterwegs gewesen – 25 von 52. Und ich denke Wettertechnisch war das diesmal wirklich fast perfekt. Ok, die Sonne knallte bissl. Aber es war nachts nicht kalt und es war durchweg trocken und bis etwa 9Uhr durchweg einfach perfekt. Erst danach kann man die Sonne als leichte Bremse gelten lassen. Aber Wasser gab es unterwegs wiederum auch an Bächen ausreichend. Man lief also wassertechnisch nie trocken. Hast du da allein Regen mit bei – bei Gewitterneigung muß eh abgebrochen werden – und die Trails sind noch nass, kannst du noch mal 25% der Leute aus dem Zeitlimit nehmen.
Sehr, sehr sympathisch finde ich die Beschreibung des Veranstalters zum Z101: „Atemberaubend, Fordernd und Spektakulär“!
Jeder der den Weg in Angriff nimmt, sollte sich über dieses „Fordernd“ allerdings im Klaren sein. Dieser Satz in der Laufbeschreibung darf jedenfalls für sehr, sehr viele Trailläufer die auch schon andere Alpenläufe gemacht haben, als kleines Understatement verstanden werden: „Der Z101 bringt Euch an Eure Grenzen und das so RICHTIG.“
Etwas Zeit bis zum Zielschluß hatte ich wohl noch. Ganz hab ich meine Grenzen also diesmal doch noch nicht erreicht – meint jedenfalls ein mehr oder weniger zufriedener Schalk! 😉